Street View "Wir erwarten Tausende Einsprüche"

Düsseldorf · Werner Fliescher, Rechtsberater bei Haus und Grund, kritisiert die Salami-Taktik von Google bei Street View. Er warnt vor dem Verlust der Privatheit des Eigentums und schätzt, dass sich die Mitglieder in Düsseldorf gegen den virtuellen Straßenatlas weiter heftig wehren werden.

 Werner Fliescher ist Rechtsberater bei Haus und Grund.

Werner Fliescher ist Rechtsberater bei Haus und Grund.

Foto: RP, Thomas Bußkamp

Seit wann ist Google Street View ein Thema für Sie?

Street View: "Wir erwarten Tausende Einsprüche"
Foto: ddp, ddp

Fliescher Ich habe für Haus und Grund Düsseldorf im Februar bereits den amerikanischen Konzern angeschrieben mit der Bitte, uns Fragen zu Street View zu beantworten. Es gab nie eine Antwort und keinen Kontakt.

Das spricht für eine gewisse Ignoranz schon damals gegenüber den Fragen in Deutschland.

Fliescher Ja, das haben wir auch so empfunden. Es gab aber noch nicht die große Diskussion, die jetzt begonnen hat.

Seit etwa drei Wochen rollt die Protestwelle gegen die Einführung des Dienstes. Viele wollen ihr Haus oder ihre Wohnung nicht im Internet zeigen. Wie groß ist der Protest in Düsseldorf?

Fliescher Sehr stark. Neun Sachbearbeiter sind hier täglich für alle Anfragen der rund 16000 Mitglieder in Düsseldorf zuständig. Jeder unserer Mitarbeiter hilft täglich durchschnittlich etwa 15 Kunden. Seit der Google-Diskussion haben die Mitarbeiter aber rund 30 Prozent mehr Anrufe und Besuche.

Was beunruhigt die Düsseldorfer?

Fliescher Es gibt jede Menge Protest und auch Fragen unter den Menschen. Anfangs suchten sie vor allem Informationen und Aufklärung. In den vergangenen Tagen gibt es aber meist nur noch Nachfragen, wie sie gegen Google Street View Einspruch einlegen können.

Wie können sie denn helfen? Vor allem den Menschen, die nicht unbedingt jeden Tag im Internet zuhause sind?

Fliescher Wir haben Widerspruchformulare in Briefform, die wir zur Verfügung stellen. Anderseits haben wir die Links und Adressen, über die man seinen Widerspruch per Internet geltend machen kann.

Können die Leute das selber machen?

Fliescher Ja, aber wir helfen gerne älteren Menschen, oder anderen, die dabei Hilfe brauchen im Rahmen der Mitgliedschaft.

Welche Bedenken oder Ängste haben denn die meisten?

Fliescher Die meisten fürchten um den Verlust der Reste an Privatheit. Diese Privatheit beginnt ja nicht erst hinter der Mauer. Das wird ihnen beim Thema der Zurschaustellung ihrer Häuser oder Wohnungen im Internet so richtig klar. Andere sorgen sich um die Verknüpfung der Daten. Am Ende werden Daten verkauft und es entstehen Pakete. Zum Beispiel: Jemand hat dort sein Haus, kauft oft Blumen, will beispielsweise oft nach Italien fahren und liebt Turnschuhe. Vor diesen Datenverknüpfungen haben viele Angst. Eins ist klar: Google macht das ja nicht aus Wohltat, sondern aus wirtschaftlichen Interessen.

Was ist bei unterschiedlichen Interessen? Zum Beispiel: In einem Haus will einer zeigen, einer aber pixeln.

Fliescher Das sind ja die Fragen, die wir gerne mit Google geklärt hätten. Aber es gab ja keinen Informationsaustausch und keine weiteren Erklärungen. Wenn ein Mieter widerspricht, wird dann das ganze Haus gepixelt oder nur die Wohnung links im dritten Stock?

Auch Sie sind ein wenig ratlos?

Fliescher Ja schon. Google spielte ja eine Salami-Taktik mit den Infos. Da gibt es keine klare Linie.

Kann Widerspruch eigentlich rückgängig gemacht werden?

Fliescher Das ist nicht geklärt.

Nicht wenige sehen Vorteile durch die Sicht auf Gebäude, Geschäfte und Straßen.

Fliescher Ja, für manche ist das von Vorteil. Aber sehr wichtig ist: Google zeigt Momentaufnahmen, es ist eben keine Webcam. Wer also in dem Moment gefilmt wird, wenn die Mülltonnen unordentlich vor dem Haus stehen, hat vielleicht einen Nachteil. Und das Haus, welches damals noch gut aussah, kann heute schon heruntergekommen sein.

Seit einigen Jahren bereits bietet Sightwalk einen ähnlichen Dienst an. Warum stört das niemanden?

Fliescher Sightwalk hat eine deutlich niedrigere Kameraperspektive und stellt vor allem Ansichten aus den Innenstädten ins Netz. Das ist bei Google anders: Dort finden sie jedes Mehrfamilienhaus und jede Villa. Außerdem ist die Diskussion sehr emotional.

Warum ist sie das? Ist das die typische deutsche Aufgeregtheit?

Fliescher Nein. Die Menschen wollen solche Themen offen diskutieren. Und vor allem wollen sie gefragt werden und nicht von einem solchen Vorhaben einfach übergangen werden.

Die Politik hat lange zum Thema geschwiegen und sich um die rechtlichen Folgen keine Gedanken gemacht. Warum schwieg die Politik da?

Fliescher Die Politik hat das Thema viel zu lange falsch ein- und unterschätzt. Sie hat es auf die lange Bank geschoben.

Werden Sie Ihr Haus bei Street View zeigen lassen oder werden Sie Widerspruch einlegen?

Fliescher Natürlich werde ich Widerspruch einlegen.

(RP)
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