Düsseldorf U-Bahn-Baustelle: Häuser evakuiert

Düsseldorf · Bei Ausschachtungsarbeiten für die neue Düsseldorfer Wehrhahn-Linie ist ein Bagger zu nah ans Fundament eines sechsstöckigen Hauses gekommen. 16 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, bis Statiker grünes Licht gaben. Erinnerungen an das Unglück von Köln wurden wach.

Bau der Wehrhahn-Linie: Zwei Häuser evakuiert
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Bau der Wehrhahn-Linie: Zwei Häuser evakuiert

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Brigitte Samari war vorbereitet. Seit die riesigen Bagger für die neue U-Bahnlinie immer wieder das Haus erbeben lassen, in dem sie seit 25 Jahren lebt, hat sie eine Tasche für den Notfall gepackt, und den Korb für Kater Odin griffbereit neben die Tür gestellt.

Gestern hat sie beides mitgenommen, als früh um acht ein Bauarbeiter klingelte. "Wir müssen das Haus evakuieren”, hat er gesagt. Bei Ausschachtungen war das Fundament des Hauses untergraben worden."Wir durften nichts mitnehmen, sollten uns bloß schnell anziehen und raus”, sagt Benno Menzel, der sich eben noch den Rasierschaum abwischen konnte.

Während er mit Frau Christel im Café nebenan wartet, versichert Andrea Blome, die Leiterin des Amts für Verkehrsmanagement, "zu keiner Zeit” habe "eine akute Gefahr” bestanden. In "Simons Brotkörbchen” spendiert die Stadt den Evakuierten ein Frühstück. Für Besitzer Kurt Simon ist es der "erste gute Umsatz seit die es die Baustelle gibt”. Freuen kann er sich darüber nicht. "Morgen kann es unseren Laden treffen.”

Die Stadt, sagt der Bäcker, "bemüht sich sehr um uns Anlieger. Aber das ändert nichts an den Problemen, die der U-Bahnbau uns bereitet.”Ein "Problem mit dem Fundament” bestätigt unterdessen der Verkehrsdezernent der Bezirksregierung, Matthias Vollstedt, der sich selbst ein Bild von dem Schaden machen will. Alle zehn Minuten prüft Andreas Müller vom Vermessungsbüro das Haus Am Wehrhahn 51 millimetergenau. "Es bewegt sich nichts”, sagt er. Das ist gut so. Wenn das Haus absackt, könnten die Bewohner nicht zurück.

Stadtdirektor Helmut Rattenhuber schaut vorbei, lässt sich vom Bauleiter die Lage schildern. Rentner Gerhard Mäkler nutzt die Gelegenheit, sich zu beschweren. In den Mietnebenkosten zahlt er Straßenreinigungskosten für eine Straße, die seit Monaten ein großes Bauloch ist. "Frechheit”, schimpft der 83-Jährige, der über dem Café wohnt. "Hier kann überall etwas passieren. Die Fundamente der Häuser sind doch uralt.”

Mit Martinshorn und Blaulicht geleiten Polizeifahrzeuge inzwischen Betonmischer aus Neuss-Uedesheim zur Baustelle. Acht Lkw-Ladungen flüssiges Erdreich werden unter das Haus gepumpt. so genannter Magerbeton. Wenn der ausgehärtet ist, dürfen die 16 Evakuierten nach Hause. "Wenn das länger dauert”, sagt Ralf Winter, "gehen wir noch Mittagessen.”Winter kümmert sich im Auftrag der Stadt um die Anlieger der Wehrhahn-Linie. "Das macht er wirklich gut”, sagt Brigitte Samari. Alle Anliegerbeauftragten seien kompetent und hilfsbereit.

"Aber das ändert nichts an der Situation. Wenn man gesehen hat, was in Köln passiert ist, und dann kommt ein Bauleiter und sagt, Sie müssen raus ­ das ist ein furchtbares Gefühl.”Die Bilder vom Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat Ilona Jödecke immer verdrängt. "Ich habe nie daran gedacht, das bei uns so etwas passieren kann.” Auch als die Bauarbeiter bei ihr klingelten, hat sie an eine kaputte Gasleitung gedacht, oder mal wieder einen Stromausfall, "daran sind wir schon gewöhnt.” Deshalb hat sie zuerst noch nicht einmal den Hund mit nach draußen genommen. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass etwas Ernstes passiert ist.” Jetzt sind die Bilder von Köln wieder da.

Rentner Menzel vertraut auf den Magerbeton. "Hier stürzt nichts ein. So etwas wie in Köln kann hier nicht passieren”, versichert er seinen Nachbarn. Er ist sauer, weil er wegen des nächtlichen Baulärms seit Tagen kaum geschlafen hat. "Die volle Miete müssen wir zahlen, obwohldie Wohnqualität eingeschränkt ist. Und die Stadt lässt uns allein.”Mittags sitzt die Hausgemeinschaft bei Frankenheim gegenüber. Die Baufirma hat zum Mittagessen eingeladen, als kleine Wiedergutmachung für den Schrecken. Nach Hause dürfen alle erst am späten Nachmittag. "Ich weiß nicht, ob ich heute nach gut schlafen kann”, sagt Ilona Jödecke. Und diesmal meint sie nicht den Lärm.

(RP)
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