Oberbilk Die Stadt mit dem Stift entdecken

Oberbilk · Urban Sketcher verabreden sich im öffentlichen Raum zum Zeichnen. Entstanden ist die Bewegung 2007 im US-amerikanischen Seattle.

 Annika Stremming und Janko Grode zeichnen, was sie in der Stadt sehen. Sie gehören zum Sketchclub, der sich jede Woche an einem anderen Ort trifft.

Annika Stremming und Janko Grode zeichnen, was sie in der Stadt sehen. Sie gehören zum Sketchclub, der sich jede Woche an einem anderen Ort trifft.

Foto: Andreas Bretz

Janko Grode sitzt auf einer der roten Bänke am Oberbilker Markt, die ansonsten eher verwaist sind, und wartet auf seine Mitstreiter. Jeden Mittwoch lädt der 37-jährige Illustrator und Designer zum Sketchclub. Der Ort des Geschehens wechselt jede Woche. "Wir waren schon am Flughafen, in einer Buchhandlung, im U-Bahnhof, am Carlsplatz oder im Museum", erzählt Grode. Die Treffpunkte suche er je nach Wetter aus. Mal drinnen, mal draußen.

Für die jüngste Ausgabe hat der Organisator den Oberbilker Markt gewählt. Ein Ort, den man eher passiert, als dass man sich dort länger aufhält. "Eigentlich sind die besten Motive die normalen Plätze und Straßen", findet Grode. Sie müssten gar nichts Spektakuläres haben, viel spannender sei es, den Alltag zu zeichnen. Während er das sagt, schweifen seine Blicke über den weiträumigen, baumbestandenen Platz, streifen das Woolworth an der Kreuzung, die Litfaßsäule, den Eingang zum U-Bahnhof und die Imbissbuden. Hat er schon ein Motiv im Auge? "Mich persönlich würde die Dönerbude reizen", sagt der Oberbilker, der auch schon mal das Büdchen am Ende der Volksgartenstraße im Bild festgehalten hat. Den Woolworth-Schriftzug könnte man auch gut einarbeiten. Dann sei der Ort direkt zuzuordnen.

Während Grode noch potenzielle Motive durchgeht, sind seine Mitstreiterinnen eingetroffen. Allesamt Frauen, vier an der Zahl. "Das ist aber nicht repräsentativ für die Szene", sagt Annika Stremming und lacht. Sie ist seit dem ersten Treffen dabei, Grode und sie kennen sich vom Studium. Innenarchitektur. Während sie so erzählt, fixiert die 33-Jährige ihr Motiv: eine Litfaßsäule nebst benachbartem Baum. Via schwarzem Fineliner bringt sie die noch unbelaubten Äste aufs Papier. Ihr Blick geht kurz hoch und senkt sich wieder auf den Skizzenblock. "Beim Zeichnen ist man mit den Gedanken ganz bei sich", beschreibt die 33-Jährige. "Das ist gut, um runterzukommen."

Auf dem Oberbilker Markt erregt der kleine Zeichentrupp natürlich eine gewisse Aufmerksamkeit. Ein bärtiger Mann tritt ungefragt näher, um Fotos von den noch unvollendeten Zeichnungen zu machen. Emme Norma ist zum ersten Mal beim Sketchclub. Sie tut sich mit denen, die ihr über die Schulter schauen, noch ein wenig schwer. Norma hat das gleiche Motiv wie Stremming gewählt: Die Litfaßsäule und den Baum hat sie mit Bleistift aufs Papier gebracht.

"Interessant, wie zwei Menschen ein- und dieselbe Sache so unterschiedlich zeichnen", findet Stremming. Bei Norma sieht das Ganze kleiner aus, zarter, die Äste weniger wild. "Ich zeichne ansonsten eher aus der Erinnerung", sagt die 35-Jährige mit dem rötlichen Haar. Sie zückt das Handy und zeigt einige Arbeiten, die sie auf ihrem Instagram-Account gepostet hat. Ein heiratswilliges Bärenpaar. Eine lächelnde Qualle. Ein Waschbär mit Blumenstrauß. Postkartenmotive, allesamt. 330 Follower hat sie bei Instagram. "Das Posten in sozialen Netzwerken gehört beim Urban Sketching dazu", erklärt Janko Grode. Austausch und Vernetzung seien wichtiger Bestandteil des Ganzen.

Grode hat seinen Plan mittlerweile in die Tat umgesetzt. Die Dönerbude ist fertig, er hat bereits das zweite Blatt begonnen. Neben dem 37-Jährigen stehen seine Utensilien. Stifte. Ein Mini-Aquarellkasten. Ein Wasserglas. Zunächst skizziert er mit dem Fineliner die Szene. Dann tupft er mit dem Pinsel vorsichtig ein wenig Farbe hinein. Für ein Video der Band "Sex in Paris, Texas" hat er seine Zeichnungen auch schon mal in Bewegung gebracht. Bild für Bild mit der Videokamera abgefilmt. Pickende Tauben. Ein rauchender Chinese mit rotgeränderten Augen. Ein Fußballspieler am Grill. "Alles und die Tauben" heißt das dazugehörige Lied.

"Ich habe schon immer gezeichnet", sagt Grode. "Im Studium hieß das damals noch Freihandzeichnen, da gab es den Begriff Urban Sketching noch gar nicht." Im Prinzip sei es aber das Gleiche. Man setzt sich raus und zeichnet das ab, was man sieht. Direkt vor Ort, nicht nach Fotovorlage.

Die Sketchclub-Treffen finden mittwochs von 17.30 bis 19 Uhr statt. Anmeldung unter www.jankogrode.de.

(RP)
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