Natur in Hubbelrath Kleine Flucht vor dem Alltag 

Hubbelrath · Eine Wanderung im Rotthäuser Bachtal kann den täglichen Stress aus- und die Entspannung einblenden. Stadtnah und doch weit genug vom Trubel der Innenstadt entfernt, findet man hier Entschleunigung.

 Schmale Pfade, sanfte Anstiege: Eine Wanderung durch das Rotthäuser Bachtal bietet eine kleine Flucht vor dem Alltag.

Schmale Pfade, sanfte Anstiege: Eine Wanderung durch das Rotthäuser Bachtal bietet eine kleine Flucht vor dem Alltag.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Es sind gleich zwei Wünsche, die mich in den tiefen Osten der Stadt begleiten. Einerseits der Wunsch nach einer Kommunikationsdiät für wenige Stunden, nach selbstgewähltem Funkloch, nach Digital-Detox in der schrillen Alltagswelt, die meinen Blick und Geist häufig zu verstellen droht mit bunten, schnellen Bildern auf Computern, Tabletts, Smartphones, Smartwatches und Co. Andererseits ist es der Wunsch nach purem Laufen, ganz schlicht, einen Fuß vor den anderen. Der Wunsch nach nahezu ziellosem Schlendern, nach Stromern im Grünen, nach Steckerziehen und nach Birnefreikriegen. So Sachen halt. Kleine Fluchten.

Ich habe mich entschieden für das Rotthäuser Bachtal, das mir stadtnah genug erscheint, um es komfortabel mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen zu können, das aber weit genug außerhalb liegt, um, losgelöst vom Trubel der Großstadt, wandern zu können. Nicht in Kniebundhose und rotweiß-kariert, eher unauffällig und bescheiden, bodenständig und fast unprätentiös und mit nur kleinem Besteck. Einer detaillierten Umgebungskarte, einem bebilderten Wanderführer, ein wenig Proviant und Wasser.

 Und plötzlich taucht ein kleiner Frosch aus dem Bach auf und verschwindet in den Erlenbruchwald.

Und plötzlich taucht ein kleiner Frosch aus dem Bach auf und verschwindet in den Erlenbruchwald.

Foto: Sven-André Dreyer

Ich trete den mir empfohlenen charmanten Rundweg mit einer Länge von rund zehn Kilometern Länge ab der Haltestelle Gerresheimer Krankenhaus an und folge nach wenigen Metern auf der Bergischen Landstraße der Beschilderung, die mich unmittelbar ins Naturschutzgebiet führt. Und tatsächlich: Als mich die Umgebung umfasst mit ihren zahlreichen Grüntönen und sanft geschwungenen Hügeln, mit Feldern und dunklem Wald, wird mir gleich wohler, der Herzschlag verlangsamt, die Lungenbläschen dafür prall gefüllt mit frischer Luft. Noch sind es Jogger und Hundebesitzer, die mir begegnen, Menschen, die, genau wie ich, das Weite suchen. Und weil ich früh unterwegs bin, bin ich bald fast ganz allein auf meinem Weg.

Auch wenn meine Füße, hektisch und alltagsgeprägt, noch schneller sind als meine Augen, kann ich bald damit beginnen, mein Tempo zu verringern, auch mal stehen zu bleiben, die Bilder auf mich wirken zu lassen. Eine Baumgruppe am Horizont etwa, Moos auf alten Stämmen, Wolkenformationen am dunkelblauen Himmel. Ich schließe die Augen, ich atme ruhig, ich fange Gedanken. Mein Tagesausflug ins Rotthäuser Bachtal ist eine Flucht nach vorne, weg von den Dränglern, Nörglern, Hetzern und Schubsern. Und es kann so einfach sein: Du suchst dir einen vielversprechenden Weg und gehst einfach los. Deine Schritte fangen früher oder später deine kreisenden Gedanken ein. Du riechst den Wald, hörst dich gehen, deinen Atem, deine Schritte, du berührst frisch geschlagenes Holz. Mit jedem Schritt verlässt du die rechten Winkel, die eckigen Räume, die hochauflösenden Monitore. Du läufst durch ein Landschaftsgemälde und bist plötzlich Teil des Hier und Jetzt. Kleine Steine knirschen unter den Wandersohlen, Waldboden verschluckt bald die eigenen Schritte. Was du siehst, hörst, riechst und spürst ist das, was ist. Und du mittendrin.

 Bei der Wanderung durch das Rotthäuser Bachtal tauchen immer auch wieder kleine Teiche auf.

Bei der Wanderung durch das Rotthäuser Bachtal tauchen immer auch wieder kleine Teiche auf.

Foto: Sven-André Dreyer
 Wer sich die Zeit nimmt, kann auch im Wiesenkerbel wahre Schönheit entdecken.

Wer sich die Zeit nimmt, kann auch im Wiesenkerbel wahre Schönheit entdecken.

Foto: Sven-André Dreyer

Mittendrin im Tal, das flankiert wird vom steilaufsteigenden Grün des Waldes auf der einen, und von weiten Feldern auf der anderen Seite. Traktoren darauf, Ernteeinfuhr. Echte Kamille duftet am Rand der Felder, während das Springkraut auf der Waldlichtung leuchtet in zart rosa und der Wiesen-Kerbel mit seinen kleinen weißen Blüten um Insekten buhlt. Tief eingeschnitten in das Tal der Bach selbst, der immer auch kleine Teiche füllt, in denen Karpfen springen und im Schatten des modernden Holzes die Wasserläufer still stehen. Ein Graureiher spielt am Ufer Toter Mann, während der Wind das Röhricht sanft rauschen lässt. Ich nehme Platz auf einer Bank am Waldrand und beobachte kleine Frösche, die ihren Weg aus den Teichen in den feuchten Erlenbruchwald suchen und kaum zu unterscheiden sind vom braunen Laub des Vorjahres. Ich denke an Mimikry. Und an Kafka und seine Feststellung, dass in den Wäldern Dinge seien, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte. Und daran, dass die Erholung gleich um die Ecke auf Gestresste wartet. Man muss nur losgehen, einen Fuß vor den anderen setzen, Schritt für Schritt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort