Gerresheim Geschichtsträchtige Ziegel in Gerresheim

Gerresheim · Baustile einer Stadt wandeln sich. Wie unterschiedlich Ziegelsteine im Lauf der Zeit wahrgenommen wurden, zeigt nun eine Ausstellung.

 Besucher in der Ausstellung "Die Spur der Steine" des Förderkreises Industriepfad im Bahnhof Gerresheim.

Besucher in der Ausstellung "Die Spur der Steine" des Förderkreises Industriepfad im Bahnhof Gerresheim.

Foto: Andreas Endermann

Düsseldorf gilt als Backsteinstadt. Für das Flachland typisch mangelt es an Natursteinen, so dass die Düsseldorfer seit dem Mittelalter Häuser und Gebäude mit künstlich hergestellten Ziegelsteinen bauten. Diesem Grundbaustoff widmet sich nun eine Ausstellung in Gerresheim. Am Sonntag eröffnete "Die Spur der Steine" des Förderkreises Industriepfad im Bahnhof Gerresheim.

Das Ziel sei es, die Besucher für den Baustoff, der sie umgebe, zu sensibilisieren, erklärt Peter Henkel vom Förderkreis. "Das schärft den Blick auf die eigene Stadt." Von den vielen Besuchern bei der Vernissage zeigte sich Henkel positiv überrascht: "Es freut mich, weil es ja doch ein eher schwieriges Thema ist." Die Theorielastigkeit schien das Publikum nicht abzuschrecken. Die Ausführungen von Jürgen Wiener, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Düsseldorf und Mitgestalter der Ausstellung, fanden viele Zuhörer. Wiener erklärte, die Architektur einer Stadt sei Ausdruck des urbanen Selbstverständnisses.

So zeigt die Ausstellung nicht nur Fotos von Ziegelsteinbauten in Düsseldorf, sondern ordnet diese mit vielen Hintergrundinformationen in den historischen Kontext ein. Genau diese geschichtliche Bedeutung des Baustoffs ist das Überraschende an der Ausstellung. Das findet auch Besucherin Katrin Saran: "Die geschichtliche Herausarbeitung des Materials Ziegelstein war mir so noch nicht bewusst, das ist sehr interessant." Während zum Beispiel das Rathaus die Ziegelsteinfassade 1573 noch stolz präsentierte, galt die Bauart später in erster Linie als pragmatisch und billig. Mitte des 18. Jahrhunderts war der Baustoff geradezu verpönt, für anspruchsvolle und repräsentative Bauten kam er nicht in Frage.

Nach dem Ersten Weltkrieg schätzte man die Bauart dann aber wieder. Vor allem, weil Ziegelsteinfassaden nahezu immun gegen die Luftverschmutzung der anhaltenden Industrialisierung waren. Teilweise gibt es heute noch Backsteinhäuser, deren Fassaden aber verputzt wurden und daher als solche gar nicht erkennbar sind, erklärte Jürgen Wiener. Die Hochzeit der Ziegelsteinarchitektur war während der Weimarer Republik. Eines der bekanntesten Gebäude aus dieser Zeit ist das Wilhelm-Marx-Haus an der Heinrich-Heine-Allee.

In der NS-Zeit wurde verhältnismäßig wenig gebaut und vom Stile her eher dörflich. Nach dem Zweiten Weltkrieg klopften häufig Frauen und Kinder Ziegelsteine in den Ruinen. Überwiegend lösten aber Betonbauten die Ziegelarchitektur ab. Vor allem Schulen und Kirchen wie die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Garath wurden modern gestaltet. Inzwischen gebe es daher auch ein sehr pluralistisches und weniger einheitliches Stadtbild, merkt Jürgen Wiener an. Heutzutage signalisierten Ziegel vor allem Behaglichkeit, heißt es in der Ausstellung. Besucherin Katrin Saran wohnt mit ihrer Familie selbst in einem Ziegelhaus und kennt weitere Vorteile der Bauart: "Im Sommer ist es schön kühl, im Winter warm."

(RP)
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