Gerresheim Ein Ort für die Ewigkeit

Gerresheim · Der kleine jüdische Friedhof in einem Waldstück an der Quadenhofstraße wirkt wie ein verwunschenes Kleinod. Harald Posny vom Bürger- und Heimatverein Gerresheim weiß um seine Geschichte.

 Harald Posny führt mindestens einmal im Jahr Besuchergruppen über den jüdischen Friedhof an der Quadenhofstraße.

Harald Posny führt mindestens einmal im Jahr Besuchergruppen über den jüdischen Friedhof an der Quadenhofstraße.

Foto: Hans-jürgen Bauer

Wer seinen Standort nicht kennt, würde ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit auch niemals finden: den kleinen jüdischen Friedhof im Wald an der Quadenhofstraße. Und das ist vielleicht auch besser so, meint Harald Posny. Der Vorsitzende des Bürger- und Heimatvereins Gerresheim berichtet von Überlegungen, durch eine Hinweistafel auf diesen geschichtsträchtigen Ort in unmittelbarer Nähe des Gerresheimer Waldfriedhofs, wo zwischen 1925 und 1938 keine 50 Menschen begraben wurden, aufmerksam zu machen. "Der Friedhof ist so abgelegen, das lockt doch nur wieder die Falschen an."

Wer plötzlich vor ihm steht, wähnt sich in einem Märchen. Alles wirkt sehr verwittert, die Grabsteine, zumeist aus grauem Sandstein, sind übersät mit Moos, "doch genau so soll es sein. Es ist ein Ort für die Ewigkeit, an dem nichts verändert werden darf. Nur wenn die Verkehrssicherheit gefährdet ist, muss die Stadt eingreifen", sagt Posny, dessen Blick zu einem Grabstein wandert, der bedenklich in Schieflage geraten ist. Genutzt wurde der 250 Meter tief im Wald versteckt liegende Friedhof von der orthodoxen Gemeinde Adass Jisroel. Die hatte sich von der jüdischen Gemeinde, die ihre Toten in Gerresheim damals an der Mansfeldstraße bestattete, abgespalten. "Weil sie eine Orgel installieren wollten und sogar über einen Chor nachdachten", weiß der Geschichtsexperte zu berichten.

Die letzte Beerdigung, grundsätzlich in schlichten Holzsärgen, erfolgte im Dezember 1938, "ein kleines Mädchen", so Posny. Kurz darauf wurde der Weylsche Friedhof, wie er nach dem orthodoxen Rabbiner Heyman Weyl (1866-1943) auch genannt wird, geschlossen. Wenige Wochen zuvor, nach der Pogromnacht, sollen Juden dort Thorarollen vergraben haben, um sie vor weiterem Frevel zu schützen. Zwar wurde der nur von einem kleinen Zaun umgebene Begräbnisplatz im Anschluss mehrfach geschändet, nach dem Zweiten Weltkrieg aber eben auch wieder hergestellt. Die Grabsteine sind beidseitig beschriftet - Hebräisch auf der einen, der nach Jerusalem ausgerichteten Grabstelle zugewandten Seite, Deutsch auf der anderen. "Einebnungen waren ebenso wie Exhumierungen verboten. Nur wenn der Leichnam nach Israel überführt werden sollte oder zur Verbrechensaufklärung wurden Ausnahmen gemacht", erzählt Posny.

Der Bürgervereins-Vorsitzende legt einen Kieselstein auf eines der Grabmäler. "Das ist, anstatt Blumenschmuck oder Kränze abzulegen, gängige Praxis in der jüdischen Religion und zum Gedenken nicht nur Angehörigen, sondern auch Fremden gestattet", erläutert er. Mindestens einmal im Jahr bietet er eine Führung an, von der Quadenhof- geht es dann auch zur Mansfeldstraße, wo heute allerdings kein Grabstein mehr zu sehen ist. Unterwegs wird darüber debattiert, ob die jüdische Synagoge in Gerresheim, die eigentlich nur ein jüdisches Bethaus war und nach einem antisemitischen Brandanschlag 1985 abgerissen wurde, tatsächlich wieder neu errichtet werden soll, wie es aktuell im Stadtteil diskutiert wird. "Neulich habe ich dabei hinter mir ein nicht identifizierbares Stimmengewirr vernommen und dann festgestellt, dass meine Ausführungen simultan ins Russische übersetzt wurden. Das fand ich dann schon erstaunlich", sagt Posny.

(RP)
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