Fotoprojekt in Düsseldorf Ausstellung zeigt Obdachlose im Business-Look

Düsseldorf · Was wäre, wenn Obdachlose so angezogen und gestylt wären wie Menschen, die einen Job und eine Wohnung haben? "Repicturing Homelessness" hat aus diesem Gedankenexperiment ein Fotoprojekt gemacht.

Repicturing Homelessness: Obdachlose im Business-Look
12 Bilder

Diese Ausstellung zeigt Obdachlose ganz neu

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Foto: Fiftyfifty/Collage: Pawlitzki

In einem Fotoshooting wurden die beliebtesten Motive der Bildagentur Getty Images von obdachlosen Verkäufern der fiftyfifty nachgestellt.

Als der große Kran kam, wussten nur wenige, dass anschließend in 30 Meter Höhe auf einem zehn mal zehn Meter großen Banner an der Fassade der Johanneskirche unterhalb des Turmes zwei Fotos zu sehen sein werden. Sie zeigten zwei unterschiedliche Ansichten ein- und desselben Menschen.

Das eine Bild zeigt den 56-jährigen Karl-Heinz Hasenjäger, der "auf der Straße geboren" wurde, weil schon seine Eltern wohnungslos waren. Auf dem anderen ist der Obdachlose als Erfolgstyp geschminkt, frisch frisiert und "verkleidet" mit schwarzer Brille, Rollenkragen-Pulli und feinem Glencheck-Jacket in seiner Rolle als Modedesigner abgelichtet.

Machen Kleider doch Leute?

Das weltweit beachtete Foto-Film-Projekt "Repicturing Homeless" (die Multi-Media-Ausstellung läuft bis 4. Mai in der Kirche am Martin-Luther-Platz) zeigt wohnungslose Düsseldorfer ungewohnt neu. Machen Kleider also doch Leute? "Sicher", betont Diakoniepfarrer Thorsten Nolting. "Das Äußere eines Menschen sagt natürlich etwas, vor allem, wenn es ärmlich und schäbig ist. So sieht niemand ohne Not aus." Damit sei der Mensch direkt abgestempelt. Dagegen hat der, der gut gekleidet ist, selbst wenn er es sich nicht leisten kann, eine positive Wirkung auf andere.

Spannend findet Frank Schemann, dass sich auch die Menschen selbst anders wahrnehmen. Schemanns Fotografien im Auftrag der Agentur Getty Images zusammen mit der Werbeagentur Havas machen genau das deutlich: Perfekt gestylte Obdachlose wie Kalle oder Vanessa, Thomas oder Jennifer posieren beispielsweise als Geschäftsleute, Köche und Barkeeper. Und tatsächlich: Dank Make-up und entsprechender Kleidung ist kaum noch ein Unterschied zu den "normalen" Models zu erkennen. Was sagen die Betroffenen?

"Ich hab' mich wie ein neuer Mensch gefühlt", erzählt FiftyFifty-Verkäufer Kalle. Der 57-jährige Alkoholkranke, der seit 20 Jahren ganz unten auf der Straße ist und nun im Housing-First-Programm der Straßenzeitung eine Wohnung bekommen hat, wurde im grauen Zwirn, mit Hemd, Krawatte, Designerbrille und Luxusuhr ausgestattet als Businessmann abgelichtet.

Wie Kalle weiß auch Jennifer, die als Kellnerin zurechtgemacht ist, dass das Foto zwar zeigt, was sie sein könnte. "Doch Kleider allein machen es nicht. In der Leistungsgesellschaft würde ich mit einem noch so tollen Outfit nicht bestehen." Mit 15 hat Vanessa (36) zum ersten Mal Platte gemacht. Sie hat erfahren, wie kurz der Weg in die Wohnungslosigkeit ist, wie schnell man abstürzt. Ihre Mutation in eine elegante Dame findet sie "krass, das bin ich nicht.

Erlös fließt in die Obdachlosenhilfe

Aber andererseits: Endlich wird über uns geredet, werden wir respektiert". Hubert Ostendorf, FiftyFifty-Gründer, formuliert es so: "Weil das Plakat so hoch hängt, schauen Menschen erstmals zu Wohnungslosen auf". Die entstandenen Stockimages werden übrigens auf Getty Images und iStock hochgeladen und dort derzeit zum regulären Lizenzkauf, etwa für Werbezwecke, angeboten.

Die Erlöse fließen zu 100 Prozent in die Hilfe "Housing first" und kommen den Obdachlosen zugute. Die Fotos, die in Kooperation mit der Diakonie Düsseldorf ausgestellt sind, kann man ebenfalls kaufen. Sämtliche Erlöse und Spenden werden für Wohnungslose und nachhaltige Hilfemaßnahmen verwendet.

(RP)
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