„Mr. Nobody“ im Jungen Schauspiel Düsseldorf Mit Nemo durch alle Zeiten

Das Stück „Mr. Nobody“ stellt die großen Fragen junger Menschen.

 Jonathan Gyles (l.) als Nemo mit Ensemble-Kollegen

Jonathan Gyles (l.) als Nemo mit Ensemble-Kollegen

Foto: David Baltzer

Die „Engel des Vergessens“ haben Nemo übersehen. Eigentlich sind sie dafür zuständig, die Erinnerungen aller Ungeborenen zu löschen. Nun muss der Junge (Jonathan Gyles) mit der lebenslangen Last klarkommen, die Zukunft vorhersehen zu können. Eine verhängnisvolle Bürde, wie die Uraufführung „Mr. Nobody“ im Jungen Schauspiel zeigt. So viele Wege, so viele Entscheidungen. Welche ist richtig, welche falsch? Der traumatische Moment in Nemos Schicksal: Die Eltern trennen sich und zwingen ihm eine Wahl auf, die viele Scheidungskinder fürchten: Willst du mit Mama weggehen oder bei Papa bleiben?

Die Bühnenfassung des belgischen Regisseurs und Drehbuchautors Jaco Van Dormael folgt seinem gleichnamigem Fantasy-Film von 2009. Ein über weite Strecken packendes Stück, das im Jahr 2102 beginnt. Nemo ist ein gebrechlicher Greis, an nichts kann er sich erinnern. Eine forsche Ärztin macht ihm weis, er sei 117 und hilft seinem Gedächtnis mit Hypnose auf die Sprünge.

Ab da begleiten wir „Mr. Nobody“ durch verschiedene Altersstufen. Seine Eltern hat sich das ungeborene Baby selber ausgesucht, die Mutter, „weil sie so gut roch“. Nemo lernt laufen, wird umsorgt und geliebt. Dann kommt diese eine Szene: Er geht zur Schule, spielt mit Freunden, schaut mit Papa durchs Fernrohr zum Mars, und ständig gibt es Erbsen mit Kotelett. Das alles rotiert gebetsmühlenartig, so lange, bis den Eltern die Liebe abhanden kommt und sie nur noch streiten. Es ist soweit. Mama oder Papa? Weil keine Lösung wirklich gut ist, bleibt Nemo ein Zerrissener. Er taumelt durch ihm fremde Welten, verliebt sich in der einen in Anna, in der anderen in Elise. Heiratet Jean, einen jungen Mann. Das Glück, von dem er träumt, bleibt aus. Anna zieht fort. Jean geht, er will kein Lückenbüßer sein. Elise wird depressiv und verlässt ihn.

Die asynchronen Sprünge zwischen Zeiten, Identitäten und Beziehungen machen es mitunter schwer, den Faden nicht zu verlieren. Einige kleine Durchhänger gibt es auch. Doch das alles schmälert nicht die Faszination von „Mr. Nobody“. Nemo, früher ein berühmter Wissenschaftler, philosophiert über die Unmöglichkeit, Dinge zu ihrem Ursprung zurückzuführen: Glas zerbricht für immer. Kartoffelbrei und Soße, einmal vermengt, sind nicht mehr zu trennen. Warum? Er wirft Fragen auf, die junge Menschen bewegen dürften. Wie lenke ich mein Leben in die richtige Bahn? Was passiert, wenn ich hier oder dort abbiege?

Regisseur Jan Gehler gelingt eine spielerisch wie optisch starke Inszenierung. Im Laufe des mit Witz und Komik angereicherten Stücks kritzeln die Schauspieler die kahle Kulissenwand mit Kreide voll, was eine zusätzliche Ebene schafft. Das Ensemble agiert gewohnt leidenschaftlich, alle außer dem Protagonisten schlüpfen in mehrere Rollen. Großer Jubel für „Mr. Nobody“.

Info Weitere Aufführungen im Jungen Schauspiel an der Münsterstraße 446 am 14., 18., 19. und 20. Juni sowie 4. Juli.; Dauer: 90 Minuten, keine Pause; geeignet für Zuschauer ab 13 Jahren.

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