Düsseldorf Der Laut-Poet Michael Lentz im Heine-Haus

Düsseldorf · Am Ende steht der Kitsch. Zumindest hört Michael Lentz, Schriftsteller, Poet, Literaturwissenschaftler und Musiker, das aus einem Stück des Kölner Jazzmusikers Charlie Mariano heraus. "Unendlich kitschig, unendlich schön", spricht er im rheinischen Singsang - er stammt aus Düren - über die Musik, die in der Tat den Kitsch streift, aber auch die Schönheit. Lentz zeigt bei seiner gut besuchten Lesung im Heine-Haus (fast) alle Facetten seiner Kunst.

 Michael Lentz

Michael Lentz

Foto: Endermann

Die Boxkunst, die er betreibt, bleibt an diesem Abend außen vor. Aber man kann sich den asketisch wirkenden Mann auch gut im Ring vorstellen. Ansonsten ist der Klang der Sprache sein Ding, wenn er aus seinem Roman über den Musiker Arnold Schönberg "Pazifik Exil" liest, bilden seine Worte auch die geistigen Verfassung des Begründers der Zwölftonmusik nach, die Wiederholungen, das Insistieren, die Geistesblitze, die fixen Ideen.

Auch im Anagramm reüssiert der ehemalige Poetry-Slammer. Was ganz einfach mit einer Paarung wie Natur/Unrat beginnt, weitet sich bei Lentz zu einer Sprachlawine aus. Wie Skulpturen formt er seine Wortgebilde. Dabei ist er kein elitärer Dichter, der am liebsten nicht verstanden werden möchte.

Er hat auch schon mit Herbert Grönemeyer zusammengearbeitet. Wobei der kein Synonym für Seichtigkeit sein soll. Langsamkeit liegt wahrscheinlich nicht in Lentz' Natur, aber ein bewusst schleppend gelesener Text ruft spontanen Beifall hervor.

Ansonsten interessieren den Literaten vor allem die "Grenzerfahrungen." Eine solche erlebte er bei einer seiner oft sehr physischen Lesungen, als er von der Bühne stürzte. "Das Publikum hat gejubelt, es dachte, das sei Teil der Performance", erzählt Lentz. Immer wieder dreht er sich ums Wort, schält tiefere Bedeutungen heraus durch Wiederholungen und Gegenüberstellungen, wie in seinem Hörspiel mit Herta Müller.

Gemäß dem Titel der Lesung "Ein heiliger Blitz ist die Stimme", spielt er schließlich Musik: John Coltranes "Kulu Se Mama", den singenden Archie Shepp und eine Aufnahme von Antonin Artaud, die Schreie und das Trommeln eines am Leben Verzweifelten.

Viele neue Einblicke und Anstöße.

(RP)
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