Testfahrt in Düsseldorf Automatisiertes Fahren- Hände weg vom Steuer

Düsseldorf · Der Wagen lenkt alleine über die Landstraße und wechselt auf der Autobahn die Spur, ohne dass der Fahrer steuern muss - eine Testfahrt beim Unternehmen ZF TRW in Düsseldorf-Oberkassel, dessen Ingenieure am Auto der Zukunft bauen.

Die Strecke zwischen Kaarst und Osterrath ist knapp sieben Kilometer lang und hat ein gutes Dutzend Kurven. Karl-Heinz Glander muss dennoch während der Fahrt nicht einmal lenken, auch seine Füße bleiben beschäftigungslos. Das Auto legt den Weg alleine zurück. Glander hatte den Wagen an der Autobahnabfahrt auf die Landstraße gesteuert, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h eingegeben - und das Auto machen lassen. Das Lenkrad dreht sich in den Kurven wie von Geisterhand, der Wagen bremst, wenn vor ihm Autos langsamer fahren oder stehen. Erst als der Rückweg ansteht, nimmt Glander das Steuer wieder in beide Hände, um zu wenden.

Was nach Silicon Valley und Testfahrt bei Google klingt, ist tatsächlich Alltag bei Glanders Arbeitgeber: ZF TRW zählt zu den größten Zulieferern der Automobilbranche, Lenkungs- und Elektroniksysteme spielen dabei eine große Rolle, in einem der vielen Äste des großen Unternehmens taucht auch das Thema "Automatisiertes Fahren" auf. Glander ist Abteilungsleiter des Bereichs, mit seinen Kollegen erarbeitet er aus serienmäßigen Teilen das Auto der Zukunft. Die Betonung liegt dabei auf serienmäßig, denn es geht den Ingenieuren an der Hansaallee in Oberkassel ausdrücklich nicht darum, ein futuristisches Fahrzeug zu konstruieren, das dann niemals Serienreife erlangt. Der Opel Insignia, mit dem ZF TRW forscht, hat Bremsen, Lenkung und Software bereits aus dem eigenen Hause. Diese entwickeln Glander und sein Team weiter. Anfangs hat das Auto auf der Landstraße jede zweite Kurve nicht geschafft. Inzwischen ist es so weit, dass es neben Radarsensoren bald Laser für die zweite Ladung Messdaten erhält.

 Die entscheidende Handbewegung: Karl-Heinz Glander, Abteilungsleiter Automatisiertes Fahren bei ZF TRW, lässt das Lenkrad los, der Wagen steuert alleine über die Landstraße.

Die entscheidende Handbewegung: Karl-Heinz Glander, Abteilungsleiter Automatisiertes Fahren bei ZF TRW, lässt das Lenkrad los, der Wagen steuert alleine über die Landstraße.

Foto: hdf

Den Stand seiner Arbeit demonstriert Glander auch auf der Autobahn. Das Tablet neben der Mittelkonsole zeigt das Auto in seiner Spur, rechts und links davon sind Balken. Leuchten einer oder beide grün, heißt das, dass die Radarsensoren und die Kamera die Spur als frei erachten. Frei heißt, dass neben dem Wagen keine anderen Fahrzeuge sind, der Wagen nach dem Spurwechsel nicht in die Eisen muss und auch kein anderes Fahrzeug zum heftigen Bremsen gezwungen wird. Glander drückt den Blinkerhebel nach unten, das Auto zieht ganz entspannt auf die linke Spur - wieder ohne jede Hilfe des Fahrers. Beim zweiten Versuch bricht das Auto plötzlich ab, obwohl der Fahrer beim Schulterblick nichts gesehen hat. Ein gutes Stück weiter hinten hat das Radar ein Auto mit so hoher Geschwindigkeit registriert, dass es besser in der Spur bleibt. Der Balken auf dem Tablet ist rot.

Das ferne Ziel ihrer Arbeit haben die Ingenieure von ZF TRW in ein schönes Bild gefasst. Es zeigt die Insassen, die ihre Sessel zur Mitte des Wagens gedreht haben und gediegen plaudern, während sie chauffiert werden. Dieses voll automatisierte Fahren ist die fünfte Stufe der Entwicklung. Stufe null bedeutet, dass der Fahrer alles macht, bei Stufe 1 erhält er leichte Unterstützung, etwa durch einen Abstandhalter. Stufe 2 steht für teilautomatisiertes Fahren, wie es in Oberkassel schon Alltag ist. Der Fahrer bleibt verantwortlich und muss jederzeit eingreifen können, wenn die Teil-Automatik Fehler macht.

 Von außen sieht das Fahrzeug ganz normal aus. Rund um den Wagen sind Radarpunkte angebracht.

Von außen sieht das Fahrzeug ganz normal aus. Rund um den Wagen sind Radarpunkte angebracht.

Foto: Christian Herrendorf

Bei Stufe 3 und 4, für die es noch keine rechtliche Grundlage gibt, kann der Fahrer sich zunehmend anderen Dingen widmen. Das System ist dann so ausgelegt, dass es ihn rechtzeitig warnt, wenn er etwas tun muss. Stufe 3 und 4 setzen voraus, dass alles doppelt und dreifach abgesichert ist. Deshalb misst bald neben dem Radar auch der Laser, deshalb sollen Kameras bald größere Winkel schaffen und noch größere Distanzen erfassen. Bisher erkennt das System vor allem die Streifen auf und an der Straße, später soll es Gras, Freiräume und Leitplanken einordnen können. Weitere Kameras im Auto beobachten den Fahrer und reagieren, wenn er einschläft oder aus dem Fenster guckt, obwohl bald eines seiner Manöver ansteht. Stufe 3 ist für 2020 anvisiert.

Eine wesentliche Hilfe auf dem Weg dorthin bildet die Teststrecke, die bald zwischen dem Meerbuscher Kreuz und der rechten Seite der Rheinkniebrücke entstehen soll. 16 Partner, darunter neben ZF TRW auch Vodafone und Mobileye, sammeln dort Daten, wie ihre Geräte funktionieren, kommunizieren und auf Ampeln oder Schilder reagieren.

 Die Messergebnisse von Radar und Kameras werden auf dem Tablet im Cockpit sichtbar: Die Fahrspuren rechts und links leuchten grün. Sie sind frei, das Auto wechselt die Spur, wenn der Fahrer den Blinker setzt.

Die Messergebnisse von Radar und Kameras werden auf dem Tablet im Cockpit sichtbar: Die Fahrspuren rechts und links leuchten grün. Sie sind frei, das Auto wechselt die Spur, wenn der Fahrer den Blinker setzt.

Foto: Christian Herrendorf

Karl-Heinz Glander möchte dann sein nächstes Kunststück präsentieren. Er will eine Ausfahrt ins Navigationssystem so eingeben, dass der Wagen an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit in die Abfahrt zieht - im Zweifel auch aus der Spur ganz links.

(hdf)
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