Unsere Woche Was der Bürgermeister von Beethoven lernen könnte

Dinslaken · Warum man sich doch schwer wundern muss, wie aggressiv die Debatte um den Bahnhofsvorplatz inzwischen geführt wird, und was Beethoven und Schiller damit zu tun haben.

Gut, wir können uns jetzt kein wirklich profundes Urteil über die Singstimme von Dinslakens Bürgermeister Michael Heidinger erlauben, dennoch gestatten wir uns an dieser Stelle den Hinweis, dass er als Vorsänger eine ziemliche Katastrophe ist. Warum?

Nun ja, wir erleben gerade, wie die Debatte um den Bürgerentscheid am 10. Juni zur Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes heftig Fahrt aufnimmt. Und was hören wir da. Laute und durchaus aggressive Töne - übrigens von Befürwortern und Gegnern gleichermaßen. Die Befürworter werfen den Gegnern Falschaussagen vor, die kontern mit dem Vorwurf, die Befürworter trieben ein falsches Spiel mit den Dinslakenern.

Auch sonst geizen beide Seiten nicht mit Tönen, wie sie in einem Wahlkampf ja gang und gäbe sein mögen, die man aber bei einer möglichst ohne Schaum vor dem Mund geführten Diskussion um die Auseinandersetzung in einer reinen Sachfrage, die doch zumindest von gegenseitigem Respekt geprägt sein sollte, eigentlich so nicht hören möchte. Dennoch wird der Streit ziemlich erbittert geführt und, was das Tollste ist, je länger er geführt wird, kann eigentlich niemand mehr so genau sagen, warum eigentlich. Alle wollen, dass der Bahnhofsvorplatz umgestaltet wird. Auch die Initiatoren des Bürgerentscheids - jedenfalls betonen sie das bei jeder Gelegenheit. Allerdings wollen sie, dass die jetzige Verkehrsführung und die Parkplatzsituation so bleiben sollen, wie sie sind, was ihnen den Vorwurf einträgt, dass sie damit die dringend notwendige Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes von Grund auf unmöglich machen würden. Und rumms - schon schaukeln sich die Dinge weiter hoch. Deswegen an dieser Stelle Folgendes: Es gibt ganz viele gute Gründe für eine tatsächlich große Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Ohne sie fehlte ein wesentlicher Baustein zur Dinslakener Stadtentwicklung.

Dennoch: Sollten sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens am 10. Juni durchsetzen, wäre dies zwar sehr bedauerlich, bedeutete aber keinesfalls, dass Dinslaken damit auf Dauer eine bessere Zukunft verspielt hätte. Auf der anderen Seite: Nicht jeder, der den Bürgerentscheid kritisch sieht, entpuppt sich damit als schlechter Demokrat und jemand, der den Willen der Bürger am liebsten ignorieren möchte. Was das mit den Vorsänger-Qualitäten des Bürgermeisters zu tun hat?

Da hilft ein Blick auf einen Großen weiter, der nun unbestrittenermaßen viel Ahnung von harmonischem Gestalten hatte: Ludwig van Beethoven. Der hat bekanntermaßen Schillers Ode an die Freude vertont. Sie wissen schon: "Freude, schöner Götterfunken . . . Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt" .

Dem Schillerschen Text, bei dem sich in Beethovens Neunter Solist und Chor abwechseln, hat der Komponist übringens noch eine Solo vorangestellt. "O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere. Freude". Der Chor antwortet: "Freude".

Wäre es nicht eine reizvolle Vorstellung, dass Dinslaken einen Bürgermeister hätte, der solcherart die Tonlage von Debatten vorgeben könnte, statt immer erst abzuwarten, bis die Züge mit Volldampf aufeinander zurasen?

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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