Düsseldorf/Kleve Schwarzgeld-Affäre um Spitzenbeamten

Düsseldorf/Kleve · Als ehrenamtlicher Vorsitzender des Fußballvereins 1. FC Kleve soll der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug, Uwe Dönisch-Seidel, etwa 920 000 Euro Steuern hinterzogen haben. Das Hauptverfahren ist noch nicht eröffnet.

Fußball-Vereinspräsidenten werden in der Regel nicht dafür gewählt, was sie können, sondern dafür, was sie versprechen. Uwe Dönisch-Seidel (62) gehört nicht zu dieser Sorte. Die Fans mochten den ehemaligen Vorsitzenden des 1. FC Kleve. Er stand lieber mit Bratwurst im Block, statt sich mit Scampi-Essern in VIP-Räume zu verdrücken.

Dönisch-Seidel ist Diplom-Psychologe, Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug und angeklagt, in seiner Funktion als Vorsitzender des Fußballvereins 920 000 Euro hinterzogen zu haben. Zunächst belief sich die Summe auf 460 000 Euro (Lohnsteuer), jetzt kamen weitere 460 000 Euro (Sozialversicherungsbeiträge) hinzu. Dies bestätigte gestern ein Gerichtssprecher. Der ranghohe Beamte der Landesregierung, unter dessen Aufsicht 14 Landeskliniken stehen, in denen psychisch-kranke Straftäter therapiert werden, soll sich in den Jahren 2005 bis 2008 in 36 Fällen strafbar gemacht haben. Das Gericht hat noch nicht entschieden, ob das Hauptverfahren gegen Dönisch-Seidel und fünf Verantwortliche des Vereins eröffnet wird. Zuvor soll es im Oktober einen Erörterungstermin geben, bei dem es zu einem Vergleich kommen könnte.

Die Klever Staatsanwaltschaft wirft ihm in der 51 Seiten umfassenden Anklageschrift vor, "Netto-Verträge", wie sie im Fußball genannt werden, unterschrieben zu haben, damit der Verein Steuern spart. Die sportliche Entwicklung des 1. FC Kleve kannte während der Zeit, in der Dönisch-Seidel den Verein führte, nur eine Richtung: steil bergauf. Von der Landesliga schaffte es der Klub bis in die Vierte Liga. Doch wurde nahezu jede Saison mit einem Minus abgeschlossen. Spätestens im August 2008 war das Ende des 1. FC Kleve vorgezeichnet. Der Verein stand knietief im Dispo und bekam Besuch von der Steuerfahndung. Die Razzia verfehlte ihre Wirkung nicht: Die sichergestellten Akten führten zu den Anklagen.

Das Steuersparmodell des Klubs soll so ausgesehen haben: Zunächst wurde ein offizieller Kontrakt, teilweise auf Basis eines geringfügig Beschäftigten, mit den Spielern geschlossen. Daneben fanden die Beamten in den Ordnern die "Netto-Verträge", die den Akteuren wesentlich höhere Zahlungen zusicherten. Teilweise mit demselben Datum versehen, wurden die Vereinbarungen über die "Sonderzahlungen" abgeheftet. Zumindest hier scheint der 1. FC sauber gearbeitet zu haben. So sauber, dass der Verein nach Rückforderungen des Finanzamts 2011 Insolvenz anmelden musste. Die Umsetzung des Steuersparmodells soll so funktioniert haben: Unter anderem wurden gut gepolsterte Briefumschläge am Monatsende in der Kabine verteilt. Doch gab es auch andere Verrechnungsmethoden, wie beim ehemaligen Bundesligaspieler von Borussia Mönchengladbach, Stephan Schulz-Winge. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft sah die Handhabung so aus: Neben einem Brutto-Vertrag über 400 Euro plus Erfolgsprämie wurde eine schriftliche Zusatzvereinbarung getroffen. Insgesamt sollte der Spieler monatlich 2250 Euro netto zuzüglich Punktprämie, Auto und Tankkarte erhalten. Der Ex-Profi wurde beim Dachdeckerbetrieb des 2. Vorsitzenden angestellt, der die Firma mit seinem Vater führte. Schulz-Winge wurde vertraglich zugesichert, dass er keine Dachlatte anfassen muss und nur Fußball spielen soll. Irgendwann wunderte sich der Senior-Chef, der von der Vereinbarung nichts wusste, dass er Geld an einen Mann überwies, der nie zur Arbeit kam. Der Klub übernahm die Bezahlung.

Der große Fehler von Dönisch-Seidel: ein zu großzügiger Umgang mit der Abteilung Buchhaltung. Laut Anklage hat er von den zusätzlichen Zahlungen gewusst. Doch bestätigen Stimmen aus der ehemaligen Führungsriege, dass der Ex-Präsident in detaillierte Vertragsverhandlungen selten eingebunden war, jetzt aber die Hauptschuld trägt. Zudem soll der 62-Jährige selbst reichlich Geld in den Klub gepumpt haben. Sportliche Leiter, die das System maßgeblich mitgestaltet haben, stehen in der Anklageschrift jetzt unter der Rubrik "Zeugen". Sie haben offenbar auch Dönisch-Seidel belastet. Die Anklage gegen die finanziell potenten Ex-Manager ist nach Zahlung hoher Auflagen eingestellt worden. Der Psychologe wehrt sich gegen den Vorwurf des vorsätzlichen Fehlverhaltens: "Ich habe mich ehrenamtlich und mit großem Einsatz für den 1. FC engagiert. Ich habe auch weiterhin nichts zu verbergen." Der erste Teil der Aussage ist unbestritten richtig.

(RP)
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