Mutmaßlicher Kindermörder aus Herne Heute beginnt der Prozess gegen Marcel H.

Düsseldorf/Bochum · Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen startet am Freitag der Prozess gegen Marcel H., der im März einen neunjährigen Nachbarsjungen getötet haben soll. Tagelang war H. auf der Flucht – und hielt ganz NRW in Atem.

Tötung in Herne: Polizei sucht nach Marcel H.
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Tötung in Herne: Polizei sucht tagelang nach Marcel H.

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Foto: Christoph Reichwein

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen startet am Freitag der Prozess gegen Marcel H., der im März einen neunjährigen Nachbarsjungen getötet haben soll. Tagelang war H. auf der Flucht — und hielt ganz NRW in Atem.

Eines ist jetzt schon klar: Der Prozess gegen den mutmaßlichen Kindsmörder Marcel H. wird vor allem für die Angehörigen eine Zumutung. Im Gerichtssaal werden die grausamen Details der Taten ausgebreitet. Die beiden Mütter der Jungen werden am Freitag als Nebenkläger auftreten. Sie müssen sich anhören, wie der neunjährige Jaden und Christopher W. (22) binnen 24 Stunden starben.

Am Freitag - fast sechs Monate nach der Tat - beginnt vor dem Landgericht Bochum der Prozess wegen zweifachen Mordes gegen Marcel H. aus Herne. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, das Medieninteresse ist riesig. Allein 40 der 100 Plätze im Gerichtssaal werden für Journalisten reserviert sein. Der Fall des damals 19-jährigen Marcel H. aus Herne hatte im März auch über die deutschen Grenzen hinaus ein großes Echo erzeugt.

Wer als Zuschauer in den Gerichtssaal möchte, muss vorher durch eine Sicherheitsschleuse, auch Handys sind im Gerichtssaal nicht erlaubt. Vermutlich werden auch viele Mitglieder des Rockerclubs "Bandidos" kommen. Denn Jadens Stiefvater ist Mitglied in der Essener Ortsgruppe des Clubs. Zu Jadens Beerdigung waren hunderte Bandidos und Mitglieder anderer Rockergruppierungen gekommen. Sie alle möchten den sehen, der kaltblütig zwei junge Menschen getötet haben soll - und dabei selbst noch fast ein Kind war.

Marcel H. war am 9. März 2017 festgenommen worden. Drei Tage lang hatte die Polizei nach ihm gefahndet - deutschlandweit. Am Ende stellte sich H. in einem Imbiss in Herne. In den Vernehmungen gestand er beide Taten.

Die Taten sollen sich nach Angaben des leitenden Ermittlers Klaus-Peter Lipphaus wie folgt abgespielt haben: Marcel H. soll am 6. März 2017 abends gegen 18 Uhr bei seinen Nachbarn in einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung in Herne geklingelt haben. Der neunjährige Jaden soll die Tür geöffnet haben. H. soll ihn unter dem Vorwand, Jaden solle eine Leiter halten, in den Keller seines Wohnhauses gelockt haben. Das Haus steht seit dem Umzug seiner Familie in die Nachbarstadt leer, H. soll in der Wohnung zuvor versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Im Keller soll er dann 52 Mal auf den Jaden eingestochen haben. Laut Polizei soll Jaden gegen 18.30 Uhr bereits tot gewesen sein. Gegen 18.40 Uhr soll H. sich bei einem Bekannten über Whatsapp gemeldet und Fotos der Tat geschickt haben. Eine weitere halbe Stunde später tauchen Bilder auch auf einer anonymen Onlineplattform auf. Der Empfänger verständigt derweil die Polizei.

Der Stiefvater von Jaden findet den Jungen schließlich gegen 20.30 Uhr tot im Keller. Die Polizei beginnt noch in der Nacht mit der Fahndung. H. versteckt sich unterdessen bei Christopher W. (22), einem Mitschüler aus der Berufsschule. Die beiden zocken am Abend Computerspiele. Am Morgen des 7. März berichten Medien bereits über die Suche nach Marcel H.. Als der 22-Jährige H. auf den Fahndungsfotos erkennt, sticht dieser laut Aussagen der Ermittler 68 Mal mit einem Messer auf ihn ein und ihn würgt ihn.

H. bleibt zwei weitere Tage in der Wohnung, während in ganz Deutschland nach ihm gefahndet wird. Ein Gymnasium in Wetter wird durchsucht, weil eine Schülerin H. dort gesehen haben will. In Mönchengladbach will ihn ein Passant am Hauptbahnhof gesehen haben. Das Krankenhaus in Neuwerk wird durchsucht, weil ihn jemand dort gesehen haben will. Immer wieder kursieren weitere Nachrichten und Fotos in anonymen Internetforen, die von Trittbrettfahrern stammen - wie sich nach und nach herausstellt.

H. stellt sich schließlich am 9. März in einem griechischen Imbiss in Herne. Um Spuren zu vertuschen, soll er in der Wohnung von Christopher W. zuvor noch ein Feuer gelegt haben. Für einen Bochumer Polizisten gibt es ein juristisches Nachspiel: Er macht kurz nach Marcel H.s Festnahme ein Handyfoto, das später veröffentlicht wird. Das Foto zeigt H. kurz vor dem Abtransport in die Gewahrsamszelle mit gefesselten Händen auf dem Rücken, breitbeinig vor einem Tresen. Die Staatsanwaltschaft Bochum stellt das Verfahren Anfang April gegen Zahlung einer Geldbuße ein, ein Disziplinarverfahren läuft derzeit noch, bestätigt ein Bochumer Polizeisprecher auf Anfrage.

Marcel H. aus Herne: Polizeieinsatz in Mönchengladbach
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Marcel H.: Polizeieinsatz in Mönchengladbach

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Foto: Andreas Gruhn

Die Ermittler beschreiben H. als "eiskalt" und "emotionslos in den Vernehmungen". Als Motiv vermuten sie im März kurz nach der Vernehmung eine abgelehnte Bewerbung bei der Bundeswehr. H. soll außerdem internet- und spielsüchtig gewesen sein.

Auch in der Herner Wohnsiedlung galt H. als ein Junge mit sozialen Problemen, ein Einzelgänger, der gerne in Flecktarn-Kleidung auftrat. Die Ermittler beschreiben ihn zudem als "intelligent". Wer Marcel H. tatsächlich ist, darüber soll auch ein psychiatrischer Gutachter Aufschluss geben. Unter anderem soll er klären, ob H. voll schuldfähig ist. Im Strafrecht gilt H., der zur Tatzeit 19 Jahre alt war, als Heranwachsender. Eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht kommt daher in Betracht.

(heif)
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