Herne Marcel H. - emotionslos und eiskalt

Herne · Der 19-Jährige hat ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er gab zu, den neunjährigen Jaden sowie einen 22-jährigen Bekannten erstochen zu haben. Das Kind tötete er offenbar nur, weil es ihm die Tür aufgemacht hatte.

Georgios Chaitidis sitzt vorgestern Abend in seinem Herner Imbiss "Thessaloniki Grill" an einem Tisch und liest Nachrichten auf seinem Tablet, als plötzlich die Tür aufgeht und ein schwarz gekleideter junger Mann mit einem Sack Zwiebeln in der Hand den Laden betritt. "Ich bin der, den man sucht", sagt er. "Ich bin Marcel H." Chaitidis weiß zunächst nicht, wen er vor sich hat. "Marcel wer?", will der 54-Jährige wissen. Der junge Mann entgegnet ruhig: "Guck auf dein Tablet, mein Bild steht da." Der Imbissbesitzer schaut nach, erkennt ihn und verständigt die Polizei, die wenige Minuten später eintrifft und Marcel H. festnimmt.

Die Festnahme besiegelte das Ende einer dreitägigen Suchaktion nach dem mutmaßlichen Mörder des neun Jahre alten Jaden, die NRW in Atem gehalten hatte. Das Kind war am Montag mit 52 Stichen umgebracht worden. "Wir haben schon viel Elend miterleben müssen, aber so ein Mordfall geht unter die Haut", sagte der Leiter der zuständigen Mordkommission Bochum, Klaus-Peter Lipphaus. Der 19 Jahre alte Tatverdächtige legte ein umfassendes Geständnis ab. "Dabei wirkte er ruhig, intelligent, emotionslos und eiskalt. Er diktierte meinen Kollegen seine Aussage", sagte Lipphaus.

Bei seiner Vernehmung kam heraus, dass H., bevor er sich stellte, noch einen weiteren Mord beging. Bei dem zweiten Opfer handelt es sich um einen 22 Jahre alten Bekannten des Täters, den er aus einem Berufskolleg kannte. Dieser sei mit 68 Messerstichen und durch komprimierende Gewalteinwirkung am Hals getötet worden, erklärte Staatsanwalt Danyal Maibaum. Um die Tat zu vertuschen und Spuren zu beseitigen, habe Marcel H. dann in der Wohnung des 22-Jährigen, die in der Nähe des "Thessaloniki Grill" liegt, ein Feuer gelegt - ohne dabei Rücksicht darauf zu nehmen, dass noch weitere Menschen, die in dem Haus wohnen, ums Leben hätten kommen können. Die Ermittler sind sich auch deshalb sicher: Der 19-Jährige hat aus reiner Mordlust und heimtückisch gehandelt.

Seine Schuldfähigkeit muss allerdings noch geprüft werden. "Ich habe aber an wenig von dem, was er gesagt hat, Zweifel. In allen Bereichen können wir ihm aber nicht trauen", so Lipphaus. Nach Angaben der Polizei tötete er Jaden offenbar nur, weil er es war, der die Tür am Montagabend öffnete, als H. klingelte. "Er wollte denjenigen, der aufmacht, in seine Gewalt bringen", sagte Lipphaus. "Er wollte einen Mord begehen, um in den Knast zu kommen." Er lockte Jaden unter dem Vorwand, er müsse ihm helfen, eine Leiter zu halten, in den Keller seines ehemaligen Wohnhauses. Dort stach er auf den Jungen ein. Nach dem Mord schickte er die Bilder, die er von sich und der Leiche gemacht hatte, per WhatsApp an mehrere Bekannte. Einer der Bekannten, die die Fotos bekommen hatten, alarmierte die Polizei.

Auslöser der Bluttat könnte eine Absage der Bundeswehr gewesen sein, bei der sich Marcel H., der sich als spielsüchtig bezeichnet, als Zeitsoldat beworben hatte. Zudem wollten die Eltern gerade mit ihm in eine andere Stadt umzuziehen. "Er hat deshalb befürchtet, den Zugang zum Internet zu verlieren", erklärte Lipphaus. "Die Aussicht, keine Computerspiele im Internet mehr spielen zu können, hat ihn zu Suizidgedanken getrieben." Demnach gingen den beiden Morden zwei missglückte Suizidversuche am Montag voraus. "Er hat offenbar versucht, sich vor den Tötungsdelikten auf mehrfache Weise selbst das Leben zu nehmen", so Lipphaus. So habe er etwa versucht, mit einem Grillanzünder einen Brand zu legen und sich so zu töten. Dann sprang aber der Rauchmelder an und löste Alarm aus. Anschließend beschloss Marcel H., noch am selben Abend einen Mord zu begehen. Danach habe er sich laut Polizei kurz in einem Waldstück versteckt, ehe er zu seinem Bekannten ging, den er dann tötete - offenbar weil dieser drohte, zur Polizei zu gehen. Im Anschluss an die Tat blieb H. in der Wohnung und verbrachte zwei Tage mit der Leiche, ehe er sich stellte, so Lipphaus. Die Ermittler vermuten, dass er das tat, weil er keinen anderen Ausweg mehr sah.

Georgios Chaitidis sagt, dass Marcel H. sehr ruhig gewirkt habe, als er zu ihm in den Imbiss gekommen ist. " Er hat nichts gemacht, außer zu sagen, dass er es ist", sagt Chaitidis, der selbst keine Angst vor ihm gehabt hat. "Erst als die Polizei kam, habe ich überhaupt so richtig kapiert, was gerade passiert."

(RP)
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