Fall Marcel H. "Er wollte einen Mord begehen, um in den Knast zu kommen"

Marcel H. hat in seinem Geständnis Hintergründe zu seinen Taten offengelegt. Den Nachbarsjungen tötete er aus Frustration. Danach versteckte er sich bei einem Bekannten in Herne. Als dieser ihn auf die Tat ansprach, brachte Marcel H. auch ihn um.

"So ein Mordfall geht wirklich unter die Haut": Klaus-Peter Lipphaus, Leiter der Mordkommission Bochum.

"So ein Mordfall geht wirklich unter die Haut": Klaus-Peter Lipphaus, Leiter der Mordkommission Bochum.

Foto: dpa, a

Wenn es stimmt, was Marcel H. den Ermittlern erzählt hat, dann hat er Jaden nur getötet, weil er es war, der die Tür am Montagabend öffnete. "Er wollte denjenigen, der aufmacht, in seine Gewalt bringen", sagt Klaus-Peter Lipphaus. "Er wollte einen Mord begehen, um in den Knast zu kommen." Es hätte also auch einen von Jadens großen Brüdern treffen können, die am Montagabend auch zu Hause waren. Lipphaus leitet die Mordkommission "Herne" mit mehr als 20 Ermittlern. Auf einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium in Dortmund gab er nun Details aus den ersten Vernehmungen des 19-Jährigen preis, der am Donnerstagabend in einem Imbiss in Herne festgenommen wurde. Marcel H. hat in der Nacht zwei Morde gestanden.

Bisher gehen die Ermittler von folgendem Tatablauf aus: Marcel H. ging am Montagabend gegen 18 Uhr zu der Wohnung in Herne, in der er bis vor kurzem gelebt hatte. Sie steht seit dem Umzug der Familie in eine Nachbarstadt leer, Marcel H. wollte sich in der Wohnung das Leben nehmen. "Vorausgegangen war eine Absage der Bundeswehr auf seine Bewerbung und andere ergebnislose Bewerbungen", sagt Lipphaus. Dazu kam offenbar, dass H., der sich als Computer- und spielsüchtig bezeichnet, in der neuen Wohnung keinen Zugang zum Internet hatte. Das alles soll ihn derart gestresst haben, dass er sich das Leben nehmen wollte. Allein in der Wohnung versuchte er erst, sich zu erhängen, dann zündete er Holzkohle an, um sich mit dem Rauch zu vergiften. Beide Versuche scheiterten.

Er klingelte am Nachbarhaus und lockte Jaden unter dem Vorwand, er müsse ihm helfen, eine Leiter zu halten, in den Keller seines ehemaligen Wohnhauses. Dort stach er auf den Jungen ein — 52-mal, "heimtückisch und aus Mordlust", wie der ermittelnde Bochumer Staatsanwalt Danyal Maibaum sagt. Nach dem Mord schickte er die Bilder, die er von sich und der Leiche gemacht hatte, per WhatsApp an mehrere Bekannte. Dann verließ er gegen 18.30 Uhr den Tatort und versteckte sich in einem Wäldchen. Einer der Bekannten, die die Fotos bekommen hatten, alarmierte die Polizei.

Marcel H. will die Martinshörner gehört und dann aus dem Wald geflüchtet sein. Um 20.30 Uhr klingelte er bei einem "weitläufigen Bekannten", wie es heißt, einem 22 Jahre alten Mann, der mit H. auf einem Berufskolleg war. H. soll ihm erzählt haben, dass seine Eltern weggezogen seien und ihn gefragt haben, ob er ein paar Tage bei ihm übernachten könne. Laut seiner Aussage spielten sie ein paar Stunden das Computerspiel "Yu-Gi-Oh", man aß zusammen, gegen 2 Uhr ging H. schlafen.

Sechs Stunden später weckte sein Gastgeber ihn. "Du wirst wegen Mordes gesucht", soll er zu H. gesagt haben. Der Bekannte wollte die Polizei anrufen. H. griff sich ein Messer und stach insgesamt 68-mal auf ihn ein, außerdem würgte er ihn. Dann deckte er die Leiche zu und blieb zwei weitere Tage in der Wohnung. Er hielt sich also die ganze Zeit in Herne auf, während deutschlandweit nach ihm gefahndet wurde. Am Donnerstagabend setzte er die Wohnung in Brand und stellte sich in dem griechischen Imbiss in Herne.

Die Bilder, die im Netz kursierten, und die unter anderem das zweite Opfer mit seinen Verletzungen zeigten, will er an andere Bekannte geschickt haben. Er selbst sagt, er habe sie nicht online gestellt. Die Ermittlungen hierzu sind noch nicht beendet, sagt Lipphaus.

"Marcel H. ist eiskalt, emotionslos in den Vernehmungen", sagt Lipphaus. Er habe den Kollegen quasi nüchtern seine Aussage diktiert. Er sei nicht dumm, eher relativ intelligent und habe einen Realschulabschluss gemacht. H. sei als Schüler immer auffällig gewesen, habe ADHS. "Er war ein Einzelgänger."

Er habe als Polizist schon viel Elend erleben müssen, sagt Lipphaus. "Aber so ein Mordfall geht wirklich unter die Haut."

(hsr)
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