Zeugenaussagen im Langericht Köln Verhandlungstag im Drach-Prozess endet im Eklat

Köln · Nach einem traumatischen Erlebnis auf einem Filmset soll ein Geldbote seine Dienstwaffe nur noch ungeladen mitgeführt haben. Das berichtet eine Kollegin des Geldboten im Drach-Prozess. Fragen nach ihrer psychischen Gesundheit führen schließlich zum Eklat.

Prozess gegen Thomas Drach beginnt in Köln
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Foto: dpa/Alexander Franz

Die nicht geladene Dienstwaffe eines Geldboten bei einem Überfall vor einer Kölner Ikea-Filiale war schon mehrfach Thema im Prozess gegen Thomas Drach. Am Freitag sprach nun eine Kollegin des Mannes als Zeugin in dem Prozess vor dem Kölner Landgericht über Hintergründe.

Nach Angaben der 52-Jährigen war ihr Kollege geraume Zeit vor dem Überfall 2018 in ein nicht abgesperrtes Filmset der RTL-Serie „Alarm für Cobra 11“ in der Kölner Innenstadt gestolpert. „Da hat der Kollege dann gehört: „Geld her, Waffe her!“.“ Daraufhin habe er sich umgedreht, seine Waffe gezogen und „fast auf den Schauspieler Erdogan Atalay geschossen“. Das sei für den Kollegen so schockierend gewesen, dass er fortan seine Waffe nicht mehr geladen habe.

Der Geldbote habe nach dem Geldtransporter-Überfall in Köln-Godorf eine Zeit lang selbst als Tatverdächtiger gegolten, hatten zwei Polizeibeamte am Mittwoch im Zeugenstand berichtet. Dennoch habe sich „ein Tatverdacht nicht erhärtet“. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen ihn eingestellt.

Der Überfall wird Drach vorgeworfen - ebenso wie drei weitere Raubtaten in Köln, Frankfurt am Main und in Limburg. Wegen Schüssen auf zwei Wertboten, die lebensgefährlich verletzt wurden, ist er zudem wegen versuchten Mordes angeklagt. Drach hatte 1996 Jan Philipp Reemtsma, den Erben des Hamburger Tabakkonzerns, entführt und war dafür zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Daneben sitzt im Kölner Prozess noch ein mutmaßlicher Komplize auf der Anklagebank.

Über die Aussage der 52-Jährigen kam es am Ende des neunten Verhandlungstages zum Eklat zwischen Verteidigern und Gericht. Die Frau hatte von verdächtigen Begebenheiten bei ihren Ikea-Einsätzen berichtet. So habe sich ihr etwa drei oder vier Monate vor dem Überfall ein Mann in den Weg gestellt, der ein Gewehr unter seinem Mantel getragen habe. Nachdem er ihr eine „Grimasse“ gezogen habe, sei er weggerannt.

Erst Monate nach dem Überfall auf ihren Kollegen habe sie dem Vorfall Bedeutung beigemessen, nachdem sie ein online veröffentlichtes Überwachungsvideo mit dem vom Tatort flüchtenden Räuber gesehen habe. „Der ganze Bewegungsapparat passt“, sagte sie. In Richtung Drach deutend, der im Saal eine FFP2-Maske trug, sagte die Zeugin: „Diese Person sah ihm ähnlich.“ Drach-Verteidiger Dirk Kruse platzte daraufhin der Kragen: „Sie reden nur Unsinn!“ Die Zeugin berief sich auf ihr „fotografisches Gedächtnis“, das ihr ein Psychiater in der Pubertät attestiert habe.

Als Drach-Verteidiger Andreas Kerkhof die Frau daraufhin nach psychischen Erkrankungen fragte, wurde es turbulent. Die Kammer ließ die „höchstpersönlichen“ Fragen nicht zu. Sie dienten nicht der „Erkundung der Wahrheit“, so der Vorsitzende. Kerkhof und Kruse kritisierten die Prozessführung durch den Vorsitzenden daraufhin als „abenteuerlich“ und „willkürlich“. Es gehe schließlich um die Glaubwürdigkeit der Zeugin.

Zuvor hatte am Freitag schon ein Augenzeuge des Überfalls am Ikea ausgesagt. Laut dem Ikea-Mitarbeiter habe sich der Räuber wie ein „Kundenwagen-Schieber“ verkleidet. Ferner sei ihm aufgefallen, dass der „Geldentsorger“ nicht wie vorgeschrieben vor dem Personaleingang geparkt habe.

(top/dpa)
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