Prozess gegen Schalke-Fans in Essen Ein einziger, fast tödlicher Schlag

Essen · Ein Manchester-City-Fan wird vor drei Jahren beim Champions-League-Spiel im Schalker Stadion durch einen Faustschlag lebensgefährlich verletzt. Nun stehen vier Anhänger von Schalke 04 in Essen vor Gericht.

 Zwei der vier Angeklagten mit ihren Verteidigern Burkhard Benecken (hinten links), Dirk Giesen (hinten rechts) und Dirk Wolterstädt (vorne links).

Zwei der vier Angeklagten mit ihren Verteidigern Burkhard Benecken (hinten links), Dirk Giesen (hinten rechts) und Dirk Wolterstädt (vorne links).

Foto: RPO/Hauser

Gleich zu Beginn des Prozesses wendet sich der Vorsitzende Richter Thomas Kliegel an den Angeklagten Jens H.: „Sie haben großen Einfluss darauf, wie dieses Verfahren läuft“, sagt er zu ihm. Ein Geständnis, eine Entschuldigung oder glaubhafte Reue – all das könne sich positiv auswirken. Für das Opfer in diesem Verfahren vor dem Essener Landgericht, den Briten Paul W., wäre ein Geständnis allein deshalb wichtig, weil es ihm und seiner Familie die Reise nach Deutschland ersparen könnte. Sie sind als Zeugen geladen. Und weil es den Prozess um eine Tat, die inzwischen mehr als drei Jahre zurückliegt, beschleunigen könnte – Paul W. hofft, bald mit dem Geschehen abschließen zu können, wie sein Anwalt Jan Czopka sagt.

Jens H., 33 Jahre alt und laut Anklage der gewaltbereiten Fanszene des Schalke 04 zuzurechnen, soll den Manchester-City-Fan Paul W. am Abend des 20. Februar 2019 mit einem gezielten Faustschlag in der Gelsenkirchener Arena umgehauen haben. Der damals 32 Jahre alte Brite, der mit seiner Familie und Freunden zum Spiel angereist war, hatte laut Anklage mit dem Schlag nicht rechnen können. Er stürzte zu Boden, schlug mit dem Kopf auf und erlitt schwerste Verletzungen. Es war nur ein einziger Schlag. Aber der hätte Paul W. fast das Leben gekostet. Er musste notoperiert werden und lag wochenlang im Koma. Mit Jens H. angeklagt sind drei weitere Schalke-Fans: Ben P., 30 Jahre, Dieter S., 48 Jahre, und Maik F., 45 Jahre. Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Männern gefährliche Körperverletzung vor.

Kurz vor der Tat hatte Schalke damals im Champions-League-Spiel gegen Manchester City das 2:3 kassiert, in den letzten Minuten des Spiels. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten sich bewusst im Bereich der gegnerischen Fans aufgehalten haben, um die Provokation zu suchen. Nach Erkenntnissen der Ermittler waren alle vier Männer zum damaligen Zeitpunkt der Schalker Ultra-Gruppierung „Hugos“ zuzurechnen. Jens H. wurde wegen diverser Vorfälle als „Gewalttäter Sport“ eingestuft. Er soll ein erfahrener Kampfsportler sein. Nach dem Siegtreffer von Manchester ging Paul W. laut Anklage zum Schalker Block und streckte beide Mittelfinger in Richtung der Fans aus. Auf dem Weg zurück soll er von einem der Angeklagten angerempelt worden sein, Paul W. reagierte aber nicht.

Einer der Beschuldigten soll dann zunächst Paul W.s Vater geschlagen haben. Jens H. soll daraufhin auf Paul W. zugegangen sein und ihm den Schlag gegen das Kinn verpasst haben. Überwachungskameras sollen alles aufgezeichnet haben. Maik F. schlug Paul W.s Schwester ins Gesicht, sie erlitt eine Platzwunde an der Lippe, die genäht werden musste. Über seinen Verteidiger Burkhard Benecken legte Maik F. am ersten Prozesstag ein Geständnis ab. „Er schämt sich dafür, es tut ihm sehr leid“, sagte Benecken. Die anderen drei Angeklagten äußerten sich noch nicht zu den Vorwürfen, kündigten aber Einlassungen für den zweiten Prozesstag an. Jens H. habe einen Brief an Paul W. geschrieben, sagte dessen Verteidiger Wolfgang Heer, und 10.000 Euro als Wiedergutmachung an W. überwiesen. Sein Mandant habe zudem ein Anti-Aggressions-Training absolviert. „Von Fußballstadien hält er sich heute fern“, sagte Heer.

Ein Urteil wird für den 14. Mai erwartet.

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