Kinderbetreuung Zu wenige Kitas in NRW haben nach 17 Uhr geöffnet

Willich · Eine Umfrage des Landes hat ergeben, dass Kitas ihre Öffnungszeiten eher zurückfahren als sie auszubauen. Dabei will der Bund erreichen, dass die Zeiten an Bedürfnisse der Eltern angepasst werden. Offenbar besteht nicht überall Bedarf.

So lange haben die Kitas in der Region geöffnet
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Foto: dpa, tba dna

Für Marike und Markus Vatheuer hat sich das Leben seit einigen Monaten deutlich entspannt. Nun müssen die berufstätigen Eltern nicht mehr jeden Morgen aufs Neue beratschlagen, wer die Tochter in den Kindergarten in Willich bringt und wer sie abholen kann. Die Oma aus Essen? Eine Freundin? Eine Nachbarin? "Das war ein Organisationsdschungel, durch den wir uns kämpfen mussten", sagt Markus Vatheuer. Manchmal wisse er selbst nicht mehr, wie das alles geglückt sei. Als Mitarbeiter im Auslandsvertrieb reist er häufig. Seine Frau ist ebenfalls viel unterwegs. Zwar arbeitet sie nicht wie er in Vollzeit, ist aber als Flugbegleiterin auf der Langstrecke meist einige Tage am Stück nicht zu Hause.

Ihre heute sechsjährige Tochter Marie-Louise kam 2014 in die städtische Kita "Bullerbü" in Willich, die damals noch bis maximal 16.30 Uhr geöffnet hatte. Seit August gelten erweiterte Öffnungszeiten: Die Kinder können schon ab 7 Uhr gebracht werden und bis 18 Uhr abgeholt werden. "Darüber sind wir heilfroh", sagt der 50-Jährige.

Markus Vatheuer ist froh, dass er seine Tochter Marie-Louise (6) bis 18 Uhr aus der Kita abholen kann.

Foto: Christoph Reichwein

Die Willicher Kita gehört zu den wenigen nicht privaten Kitas im Land, die längere Öffnungszeiten eingeführt haben. Eine Auswertung der rot-grünen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP hat ergeben, dass immer weniger Kindertageseinrichtungen in NRW auch nach 17 Uhr noch geöffnet haben. Betreuungszeiten werden sogar zurückgefahren. Demnach schlossen im Kindergartenjahr 2015/16 nur 180 von 9362 ausgewerteten Kitas nach 17 Uhr. Ein Jahr zuvor waren es noch 401 Kitas — obwohl damals nur 6094 Einrichtungen in die Auswertung einflossen.

Das soll das Programm "KitaPlus" des Bundes, bei dem auch die Willicher Einrichtung mitmacht, ändern. Damit werden seit dem Sommer "bedarfsgerechte und flexible Öffnungszeiten" unter dem Motto "Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist" gefördert. Bislang nehmen das laut Bundesfamilienministerium 63 Kitas und elf Kindertagespflege-Einrichtungen in Anspruch. Davon beispielsweise sieben in Mönchengladbach und fünf in Düsseldorf.

In anderen Städten und Gemeinden — etwa in Wachtendonk, Straelen, Kevelaer, Kleve, Geldern, Goch, Radevormwald oder Korschenbroich — gibt es gar keine Kitas mit erweiterten Öffnungszeiten. Insgesamt sollen bis zu 300 Einrichtungen gefördert werden. Dafür stehen bis einschließlich 2018 bis zu 100 Millionen Euro bereit. Erweiterte Betreuungszeiten seien wichtig, sagt Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), aber auch: "Es darf nicht verlangt werden, dass wir nur noch Rund-um-die-Uhr-Kitas anbieten. Die Wirtschaft muss sich auch endlich den Bedürfnissen der Familien anpassen."

In der Willicher Kita haben 30 Prozent der Eltern bei einer internen Umfrage Bedarf für mehr Flexibilität angemeldet, sagt die Leiterin der Einrichtung, Christa Manske-Werne: "Im Moment befinden wir uns noch in der Testphase, aber es sieht danach aus, dass wir das Modell weiter ausbauen." Viele Eltern arbeiten in Düsseldorf, Duisburg oder Köln und hatten bislang Probleme, das Kind pünktlich am Nachmittag abzuholen. Nun können sie ihre Kinder bis spätestens 9.30 Uhr in die Kita bringen und bis 18 Uhr wieder abholen. Maximal darf ein Kind elf Stunden am Tag bleiben, aber nicht mehr als 55 Stunden in der Woche oder 180 Stunden im Monat.

Betriebskitas sind bei der Betreuung flexibel

Nicht überall sei der Bedarf für Öffnungszeiten, die über das "normale Maß" von 16.15/16.30 Uhr hinausgehen, gegeben, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion bei mehreren Städten in der Region. In Tönisvorst etwa bieten zwar von fünf städtischen Einrichtungen zwei eine Betreuung von 16.30 bis 18.30 Uhr an, bei beiden werden sie nach Angaben der Stadt aber zurzeit von den Eltern nicht nachgefragt.

Flexiblere Modelle bieten einige private Träger, etwa der internationale Kindergarten "Mobile" in Meerbusch-Büderich, der von 7.30 bis 19 Uhr geöffnet ist, für den die Eltern aber auch höhere Gebühren zahlen müssen. Oder Betriebskitas, etwa der Konzerne Bayer und Lanxess in Leverkusen. Dort können Väter oder Mütter tagsüber anrufen und die Zeit für abends verlängern, wenn überraschend eine Telefonkonferenz ansteht. Die Unternehmen wollen so junge Mitarbeiter an sich binden.

Fast überall sind offene Stellen

Kita-Leiterin Manske-Werne weiß auch, dass die Umsetzung der neuen Öffnungszeiten viele Einrichtungen vor Probleme stellt. Der gesamte Dienstplan muss neu organisiert werden. "Ohne ein Zwei-Schichten-System geht es nicht, und man braucht flexibles Personal", sagt sie. Denn die Mitarbeiter dürften längstens neun Stunden im Einsatz sein. Durch das "KitaPlus"-Programm hat sie mehr Stunden zugewiesen bekommen und konnte neue Mitarbeiter einstellen. "Doch die zu finden, ist auch nicht leicht. Fast überall gibt es offene Stellen", sagt sie.

Auf Kitas in Nachbarstädten oder am Arbeitsort auszuweichen, die flexiblere Betreuungen anbieten, sei nicht ohne Weiteres möglich, erklärt Manske-Werner. Das gebe meist wegen der Umverteilung des Landesanteils zwischen den Jugendämtern Schwierigkeiten. Zudem seien ohnehin selten Restplätze vorhanden. Viele Eltern organisieren die Betreuung in den sogenannten Randzeiten nach der Kita über Tagesmütter und -väter.

Das hat auch Familie Vatheuer zeitweise so gehandhabt. "Auf die Dauer ist das aber auch sehr teuer", sagt der Vater. Weil er es nun häufiger morgens schon um 8 Uhr zu einem Flieger schafft - "das war vorher undenkbar" — ist er manchmal auch früher wieder zu Hause, um seine Tochter abzuholen. Und das freut nicht nur Marie-Louise, sondern auch die Kita-Leiterin: "Es ist einfach schön zu sehen, dass das Kind nicht jeden Tag von jemand anderem gebracht wird, und es den Eltern nun besser gelingt, alles unter einen Hut zu bekommen."

(broo)