Streit um Schüler-Leistungen Ist das Abitur in Bayern wirklich so viel schwieriger als in NRW?

Düsseldorf · "Eine Vier in Bayern ist eine Zwei in Nordrhein-Westfalen": Mit diesem Satz hat Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, die fehlende Vergleichbarkeit der Abiturnoten beklagt. Lehrer aus NRW und der Philologen-Verband wollen das nicht so stehen lassen.

 Eine Abiturprüfung im bayrischen Straubing (Symbolbild).

Eine Abiturprüfung im bayrischen Straubing (Symbolbild).

Foto: dpa, fux fpt sab

Das Interview, das Meidinger der "Passauer Neuen Presse" gegeben hat, befeuert die Debatte um die Abiturnoten in NRW neu. Eine Vier in Bayern soll eine Zwei in NRW sein? Gunter Fischer ist jemand, der da widerspricht. Bis zum vergangenen Februar war Fischer Leiter des Clara-Schumann-Gymnasiums in Dülken, an dem er jetzt noch Physik sowie Deutsch für Flüchtlingsgruppen unterrichtet. "Ich kann damit nichts anfangen. Es gibt mittlerweile in Deutschland ja durchaus einheitliche Abitur-Aufgaben. Und da ist es nicht so, dass die NRW-Schüler gegenüber Schülern aus Bayern völlig abfallen”, sagt Fischer unserer Redaktion.

Für Fischer gibt es grundlegende Unterschiede in den Schulsystemen der beiden Bundesländer. In Bayern habe er zwar nie selbst gearbeitet, doch er könne gewisse Vergleiche ziehen. "Es gibt zwischen den Bundesländern eine andere Wertigkeit, was die Grundlagen und die Ansammlung von Wissen betrifft. In Bayern gibt es in Fächern wie Geschichte oder Erdkunde schriftliche Abfragen, die in NRW nicht gemacht werden”, sagt Fischer.

Während in Bayern der Fokus auf dem Ansammeln von Wissen liege, werde in NRW mehr Wert auf den kritischen und kreativen Umgang mit Wissen gelegt. "Ich weiß von ehemaligen Schülern, die in Bayern studieren, dass sie anfangs das Gefühl hatten, weniger zu wissen als die Bayern. Ab dem dritten Semester merkten sie aber, dass es ihnen leichter fiel, etwas mit ihrem Wissen anzufangen und Neues zu entwickeln”, sagt Fischer.

Es gibt dennoch Bereiche, in denen der ehemalige Schulleiter NRW im Hintertreffen sieht. "Wenn es um die Lehrer-Schüler-Relation oder die Ausstattung der Schulen geht, belegt NRW immer einen der letzten Plätze. Und es ist eine zusätzliche Belastung für unsere Lehrer, wenn sie im Vergleich zu einem Kollegen in Bayern beispielsweise in einem Fach noch eine weitere Klasse übernehmen müssen. Da können auch zwei Schulstunden pro Woche viel ausmachen.”

"Eine Vier in Bayern ist eine Zwei in Nordrhein-Westfalen”: Auch Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologen-Verbands NRW, ist dieser Spruch des Lehrerverbands-Präsidenten Heinz-Peter Meidinger zu pauschal. "Auch wenn es mittlerweile schon mehr Vergleichbarkeit im Abitur gibt, man kann die Bundesländer in der Bildungspolitik nicht über einen Kamm scheren. Dazu müssten viele andere Faktoren wie Zulassungskriterien zum Gymnasium oder auch Hochschulprüfungen ebenfalls miteinander verglichen werden”, sagt Silbernagel.

Dennoch hat er Ideen, wie sich Aussagen wie die Meidinger erklären lassen. "Sicherlich hatte Bayern über Jahrzehnte eine sehr gleichmäßige Entwicklung seiner Bildungspolitik, so dass sich vielleicht ein anderes Qualitätsbewusstsein entwickelt hat. In NRW war es dagegen keine gute Entwicklung, die Lehrer ausschließlich für schlechte Leistungen der Schüler verantwortlich zu machen." Viele Lehrer hätten sich unter dem Druck gefühlt, dafür zu sorgen, dass kein Schüler zurückbleibt. Das habe auch zu besseren Noten geführt.

Bundesweiten gemeinsamen Abiturprüfungen in den Kernfächern steht Silbernagel skeptisch gegenüber: "Ich bin nicht der Meinung, dass ein Kernabitur für alle Bundesländer die Probleme lösen wird. Es ist richtig, das Abitur einheitlicher zu gestalten, doch alles gleichzusetzen, würde viele andere, vor allem logistische, Probleme nach sich ziehen.”

Lehrer Fischer aus Dülken ist kein Fan von einheitlichen Abituraufgaben. "Ich wage es zu bezweifeln, dass die Abiturnoten damit besser zu vergleichen sind. Individuellere Abituraufgaben haben auch ihre Vorteile”, sagt er.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bleibt auf Nachfrage unserer Redaktion eher vage. Die Einführung eines gemeinsamen Abitur-Prüfungspools mit Aufgabenkommissionen, an denen sich alle Länder beteiligen, sei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Diesen Weg wolle man weitergehen, um mehr Vergleichbarkeit beim Abitur zwischen den Ländern zu erreichen.

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