Corona-Verordnung entschärft NRW setzt Inzidenzstufe 3 aus - Innengastro bleibt offen

Düsseldorf · Die Inzidenzstufe 3, bei der die Innengastronomie wieder hätte schließen müssen, wird bis zum 19. August ausgesetzt. Das Land argumentiert mit der geringen Zahl schwerer Fälle. Während Wirte jubeln, ist die Opposition entsetzt. Auch vom Städtetag kommt eine Mahnung.

 Durch eine Änderung in der Corona-Schutzverordnung hat NRW die höchste regionale Inzidenzstufe 3 für rund drei Wochen ausgesetzt.

Durch eine Änderung in der Corona-Schutzverordnung hat NRW die höchste regionale Inzidenzstufe 3 für rund drei Wochen ausgesetzt.

Foto: dpa/Jonas Güttler

Innerhalb weniger Tage hat die Landesregierung zum zweiten Mal die Corona-Schutz­verordnung entschärft. Nachdem bereits am Montag die Frist, nach der für einen Kreis oder eine Stadt die schärferen Maßnahmen der nächsthöheren Inzidenzstufe gelten, von drei auf acht Tage hochgesetzt worden war, wurde am Donnerstag die schärfste Inzidenzstufe 3 bis zum 19. August ausgesetzt.

In der aktuellen Corona-Schutzverordnung, die das Gesundheitsministerium von Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag auf seiner Website veröffentlichte, heißt es, „aufgrund der geringen Zahl schwerer Krankheitsverläufe und Krankenhauseinweisungen“ werde vorläufig bis zum 19. August keine Zuordnung zur Inzidenzstufe 3 erfolgen. „Im Fall von erheblichen lokalen Infektionsgeschehen prüfen die betroffenen Kreise und kreisfreien Städte gemeinsam mit dem Ministerium die Erforderlichkeit von gesonderten Regelungen.“ In Kommunen mit der Inzidenzstufe 3 wäre unter anderem die Bewirtung in Innenräumen untersagt.

„Wir haben derzeit eine vergleichsweise niedrige Landesinzidenz, eine moderate Dynamik im Infektionsgeschehen und wenige Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen der Krankenhäuser – nicht zuletzt, weil wir die ältere Bevölkerung durch eine hohe Impfrate wirksam schützen können“, sagte Minister Laumann. Deshalb sei der Schritt gut zu verantworten und auch geboten.

Nutznießerin der neuen Herangehensweise ist – wie schon am Montag – die Stadt Solingen, in der die Wocheninzidenz am Donnerstag laut Landeszentrum für Gesundheit bei 50,2 Neuinfizierten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen lag. Die Solinger Beigeordnete Dagmar Becker begrüßte die Anpassung der Verordnung: Nach den langen coronabedingten Schließungen und dem Hochwasser vor 14 Tagen hätten die Einschränkungen einen erneuten harten Nackenschlag für die Solinger Gastronomiebetriebe bedeutet.

Auch der Branchenverband Dehoga NRW zeigte sich zufrieden. Ein Sprecher sagte, für die Betriebe bedeute das erst einmal eine kurze Verschnaufpause. „Restaurants können geöffnet bleiben, größere Veranstaltungen stattfinden. Es bleibt aber ein Pyrrhussieg, wenn wir nicht zeitnah eine langfristige Offenbleibe-Perspektive bekommen.“ Die Erwartung des Verbands gehe nach Düsseldorf, aber auch zum Bund nach Berlin. „Wenn sich Bund- und Ländervertreter am 10. August wieder zusammensetzen, braucht es dringend eine fundamentale Neuausrichtung. Die Zeit der Drei-Wochen-Pläne muss vorbei sein“, so der Sprecher.

Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, nannte es zwar angesichts des Impffortschritts richtig, die bisherigen Inzidenzstufen der Corona-Schutzverordnung neu zu bewerten. „Alleingänge einzelner Länder empfinde ich allerdings nicht als hilfreich. Gut wäre ein planmäßiges Vorgehen, das mit anderen Bundesländern abgestimmt ist. Die Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August ist der richtige Ort dafür.“

Die Grünen warfen der Regierung Laschet vor, für Durcheinander und Verwirrung zu sorgen. „Die schwarz-gelbe Landesregierung behindert damit nicht nur die Kommunen bei der Ausführung und Überwachung der Corona-Maßnahmen, sondern gefährdet auch das Vertrauen und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger in die politischen Entscheidungen und die Maßnahmen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher Mehrdad Mostofizadeh. „Dieser Schritt konterkariert ebenfalls alle Bemühungen, die vierte Welle dieser Pandemie einzudämmen.“ Laschet setze auf das Prinzip Hoffnung.

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte: „So sehr ich den einzelnen Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gastronomiebetrieben ein paar Tage mehr Freiheit gönne, wir mussten in der Vergangenheit zu oft lernen, welch fatale Auswirkungen solch kurzsichtige Entscheidungen nach sich ziehen.“ Einheitliche, planbare und nachvollziehbare Regeln und Maßnahmen seien der Schlüssel zum Erfolg – „und keine intransparenten Schnellschüsse“.

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