„Passus nicht mehr zeitgemäß“ Aachener Karnevalsverein nimmt nach 160 Jahren auch Frauen auf

Aachen · 160 Jahre nach Gründung haben die Männer des Aachener Karnevalsvereins eine historische Entscheidung getroffen: Sie bleiben künftig nicht mehr unter sich.

 Ein Mann trägt die Karnevalskappe des Aachener Karnevalsvereins (Symbolbild).

Ein Mann trägt die Karnevalskappe des Aachener Karnevalsvereins (Symbolbild).

Foto: dpa/Henning Kaiser

Nein, der Aachener Karnevalsverein (AKV) hat sich nicht – wie einige Spötter mutmaßten – in „AK-Vöörbild“ (für Vorbild) umbenannt. Das wäre den Öchern zu platt. Die Frauen-Debatte bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins, der seit 1950 den Orden wider den tierischen Ernst verleiht und damit seit vielen Jahren ein Millionenpublikum im Fernsehen erreicht, war am Montagabend auf Schloss Rahe dem Vernehmen nach kurz.

Die Frage, ob nach 160 Jahren erstmals auch Frauen gleichberechtigt in den bislang ausschließlich Männern vorbehaltenen Karnevalsverein aufgenommen werden sollen, wurde seit Wochen diskutiert. Die Debatte verursachte nicht nur in rheinischen Karnevalshochburgen, sondern bundesweit Schlagzeilen.

Bei der Abstimmung war eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. AKV-Präsident Werner Pfeil, der Elferrat und der Ehrensenat rechneten nach vielen persönlichen Gesprächen mit teils skeptischen Narren zuletzt mit großer Zustimmung. Mehr als 80 Prozent der AKV-Mitglieder haben dann auch – unter Ausschluss der Öffentlichkeit, was für AKV-Mitgliederversammlungen ungewöhnlich ist – der Änderung der Satzung zugestimmt, nach der eine Mitgliedschaft im AKV bisher nur männlichen Personen vorbehalten war. Diese Einschränkung wird ersatzlos gestrichen.

„Dieser Passus unserer Satzung ist 160 Jahre alt und einfach nicht mehr zeitgemäß“, sagte Pfeil. „Deshalb haben wir als Elferrat den Mitgliedern eine entsprechende Neufassung zur Abstimmung vorgelegt. Ich bin sehr froh, dass dieser Vorschlag im Jahr unseres 160-jährigen Bestehens so einhellig angenommen wurde.“ Für die Satzungsänderung stimmten am Montagabend deutlich mehr als die erforderlichen zwei Drittel aller Anwesenden. Künftig wird damit auch der Elferrat nichtmännlichen Mitgliedern offenstehen. Ritterinnen – wie zuletzt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner – können auf Wunsch Vereinsmitglied werden. Verdienten Frauen kann die Ehrenmitgliedschaft angetragen werden. Sogar die Wahl einer Präsidentin ist möglich. Es handelt sich um einen beispiellosen Paradigmenwechsel im AKV, der aktuell etwa 385 Mitglieder zählt. Ob einzelne Kritiker des „Frauen-Beschlusses“ nun austreten wollen, ist bislang nicht bekannt.

Die Satzung wird notariell geändert und dann ins Vereinsregister eingetragen, was einige Wochen in Anspruch nehmen kann. Somit droht auch nicht mehr die Gefahr, dass dem AKV die Gemeinnützigkeit als Verein aberkannt werden könnte. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes hatte entsprechende Sorgen ausgelöst. Die finanziellen Folgen wären für die Lackschuhkarnevalisten extrem negativ in Steuerangelegenheiten gegenüber dem Finanzamt. Trotzdem hatten andere rein männerdominierte Vereine eher zurückhaltend auf den Vorstoß des AKV reagiert. Der größte Karnevalsverein der Stadt, die Oecher Penn mit rund 700 Mitgliedern, sah auf Anfrage der „Aachener Zeitung“ keinen Anlass für Veränderungen. Auch die Öcher Duemjroefe und die Prinzengarde wollen die Entwicklung erstmal „weiter beobachten“.

Zur ordentlichen AKV-Mitgliederversammlung im August, bei der auch Wahlen anstehen, könnten die ersten weiblichen Mitglieder aufgenommen werden. „Wir freuen uns sehr auf frischen Wind im Verein“, so der Präsident, dem bereits einige Anfragen interessierter Frauen vorliegen. Pfeil will wieder für das höchste Amt im AKV kandidieren, auch der größte Teil des Elferrats steht erneut zur Verfügung.

Ein weiterer Beschluss betraf den Mietvertrag des AKV mit der Stadt Aachen für die Räume im Alten Kurhaus, bislang oberhalb einer langen Treppe. Im Erdgeschoss könnte der AKV Räume eines verwaisten Gastronomiebetriebs beziehen. Dort wäre auch ein barrierefreier Zugang garantiert. Hindernisse wollen die Jecken um Präsident Pfeil offenbar in jeder Hinsicht aus dem Weg räumen – was viele Spötter verstummen lässt. Ja, es geht um mehr als Stöckelschuhe.

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