Neue Ausstellung in der Sammlung Philara Sammelsurium im Gleichgewicht

Neues vom Kunstmäzen Gil Bronner: Die Sammlung Philara erweist sich auch in der dritten Schau als unerschöpfliche Inspiration.

 Jose Dávila Homage to the Square, 2017 Courtesy the artist and Philara Collection Photo: Stephan Vogel

Jose Dávila Homage to the Square, 2017 Courtesy the artist and Philara Collection Photo: Stephan Vogel

Foto: Stephan Vogel

Bereits zum dritten Mal zeigt die Sammlung Philara eine neue Auswahl der mehr als 1500 Werke umfassenden Sammlung. Auch drei Jahre nach Eröffnung der privaten Sammlung beeindruckt die an eine Basilika erinnernde Halle mit einem Hauptschiff und zwei Seitenschiffen immer noch als der wohl schönste Ausstellungsraum der Stadt.

Der Blickfang beim Betreten der Halle ist eine filigrane Arbeit des mexikanischen Künstlers Jose Dávila, der die Sammlungspräsentation mit seiner Sonderausstellung „Somewhere Behind the Eyes“ umrahmt. In einer gemeinsamen Anstrengung, worauf der englische Titel „Joint Effort“ hinweist, steht schräg im Raum eine große Glasplatte, nur gehalten durch einen Spanngurt und das Gegengewicht zweier Steinbrocken. Dieses Prinzip findet sich in abgewandelter Weise auch in den anderen Arbeiten des studierten Architekten wieder. Die schrägen fragilen Glasplatten scheinen, obwohl im Gleichgewicht, auch immer kurz vor dem Kippen zu stehen.

Dabei spielt Dávila bewusst mit der Vorstellung des Betrachters: Was wäre, wenn das doch kippen würde? Genüsslich kann man sich so überlegen, wie laut das berstende Glas wohl den großen Saal der ehemaligen Glasfabrik durchhallen würde oder vorstellen, wie das Glas in tausende Splitter zerspringt.

Sehr viel direkter geht es am Ende der Halle in einer der wenigen Arbeiten zu, die auch schon in der vergangenen Sammlungspräsentation zu sehen war. Die überdimensionale Rauminstallation „Artichoke Underground“ der Künstler Jonah Freeman und Justin Lowe fällt von außen wenig auf. Im Inneren der mehrere Räume umfassenden Installation begibt man sich in eine bizarre Welt aus Folterkammer, indischer Bar und Untergrund-Druckwerkstatt. Dabei sind die verschiedenen Räume mit einer an Besessenheit grenzenden Liebe zum Detail eingerichtet. Hier taucht man in eine dreckige und verruchte Unterwelt ein.

Nach diesem angenehm unaufgeräumten und auch fordernden Kunsterlebnis, das einen Ausreißer in der Sammlung des „Bauchkäufers“ Gil Bronner darstellt, geht es weiter mit klassischer Bilderkunst und kleineren Installationen von vor allem jüngeren Künstlern. Denn wo bei der Eröffnung im Jahr 2016 noch große Namen wie Thomas Demand, Andreas Gursky oder Tomás Saraceno zu sehen waren, gibt es in diesem Jahr verstärkt jüngere und unbekanntere Künstler zu sehen.

Wie zum Beispiel eine Installation des 1986 geborenen Iren Yuri Pattison, die sich mit Architektur und dem Schlaf als einziger Zeit, in der keine Daten über Menschen gesammelt werden, auseinandersetzt. Dabei verdampft aus einem Becher übrigens Melatonin, ein Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen steuert und beim Einatmen leichte Schläfrigkeit hervorruft. Daneben werden aber in diesem Jahr auch Arbeiten von verstorbenen Künstlern gezeigt, wie eine zarte Zeichnung des französischen Malers, Schriftstellers und Filmregisseurs Jean Cocteau, die aus der Sammlung von Bronners Vater Dan-Georg stammt. Unverändert von der neuen Sammlungspräsentation aber immer einen Besuch wert ist die Skulpturenterrasse mit Ausblick und dem Altar von Kris Martin, der dem Genter Altar von Jan van Eyck nachempfunden ist.

Zwei Stockwerke tiefer verneigt sich der 1970 geborene Saâdane Afif vor Marcel Duchamp, dem Begründer der Konzeptkunst. Ungeordnet hängen hier gerahmte Ausrisse aus Zeitschriften und Zeitungen, die sich mit Duchamps Hauptwerk „Fountain“ beschäftigen. Das als Kunstwerk definierte handelsübliche Urinal hatte 1917 zu einem Skandal geführt, heute zählt „Fountain“ zu einem der Schlüsselwerke der modernen Kunst. Afif überhöht so auf humorvolle Art die selbstreferenzielle Schleife in der die moderne Kunst oft steckengeblieben zu sein scheint.

 Jose Dávila, „Untitled“ (2018).

Jose Dávila, „Untitled“ (2018).

Foto: Alex Marks

Insgesamt ist auch die neue Philara-Sammlungspräsentation an der Birkenstraße ein ziemlich buntes Sammelsurium an Kunstströmungen und Techniken – von Kollagen über Installationen bis hin zu eigens für Philara gestalteten Räumen. Allerdings vermisst man an einigen Stellen denn doch eine gewisse Gradlinigkeit in der Auswahl. Was hier zu sehen ist, ist weniger ein musealer Überblick über zeitgenössische Kunst als vielmehr die intuitive und bauchgesteuerte Sammelleidenschaft des Kunstmäzens Gil Bronner.

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