Was tun nach dem Master Wer braucht eigentlich den Doktortitel?

Soll ich nach dem Masterstudium noch eine Promotion anhängen? Diese Frage stellen sich manche Studierende, wenn das Ende der Studienzeit naht. Grundsätzlich gilt: Ob man die zusätzliche Arbeit auf sich nehmen sollte, hängt ganz vom Berufsziel ab.

 Weiterpauken oder doch lieber direkt in den Beruf? Eine Promotion macht nicht für jeden Sinn.

Weiterpauken oder doch lieber direkt in den Beruf? Eine Promotion macht nicht für jeden Sinn.

Foto: dpa-tmn/Franziska Koark

Düsseldorf Ist die Masterarbeit geschrieben, die letzte mündliche Prüfung hinter sich gebracht, dann freuen sich die meisten Studierenden darauf, endlich in den Beruf zu starten, das wissenschaftliche Arbeiten hinter sich zu lassen. Für einen Teil aber stellt sich die Frage: Promoviere ich noch? Und die ist nicht leicht zu beantworten. Denn während der „Dr.“ bis vor wenigen Jahren noch ein Titel war, der Prestige, Respekt und Anerkennung versprach, ist sein Image heute einerseits durch die „Doktoren-Schwemme“ unter den Medizinern, andererseits durch zunehmende Plagiatsvorwürfe zumindest angekratzt. 

 Aktuell gibt es in Deutschland laut Statistischem Bundesamt rund 192.300 Doktoranden, davon 53 Prozent Männer und 47 Prozent Frauen. Zum Vergleich: Laut dem Mikrozensus hatten im Jahr 2019 insgesamt 862.000 Deutsche einen Doktortitel inne. Das entspricht einem Anteil von 1,2 Prozent der Bevölkerung. Die weitaus meisten Promovierenden gibt es in der Medizin (24 Prozent) und in den Naturwissenschaften (23 Prozent), gefolgt von den Ingenieurwissenschaften (18 Prozent) und den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (17 Prozent). Nicht überraschend, findet die Studien- und Berufsberaterin Karin Wilcke aus Düsseldorf, denn in Chemie und Biologie sei „im Grunde klar, dass promoviert wird“. Die Promotionsrate liege dort bei zirka 80 Prozent. „Außerdem ist das Gehalt während der Promotion gesichert, denn es gibt an den Fakultäten viele Stellen für Doktoranden.“ Ohne Promotion sei es tatsächlich für Chemiker und Co. schwer, einen guten Job zu finden. „Mit der Promotion beweisen die Naturwissenschaftlern künftigen Arbeitgebern, dass sie fit in eigenständiger Forschung sind. Belohnt wird der Aufwand dafür mit Top-Jobs.“

 Junge Ärzte dagegen würden sich heute gut überlegen, ob sie überhaupt promovieren sollen: „Sie sind extrem gesucht, können sich Job und Klinik aussuchen. Sie brauchen eigentlich den Aufwand einer Promotion nicht betreiben“, so Wilcke. Zudem sei das Image der Mediziner-Promotionen nicht besonders gut.

 Doch wie sieht es mit mehr Geld aus, wenn ich mich mit einem Doktortitel bewerbe? Viele Statistiken zeigen, dass Promovierte in manchen Branchen bessere Chancen auf Führungspositionen haben und ein höheres Gehalt bekommen: Beispielsweise bekommt laut einer Studie des Portals Gehalt.de ein IT-Consultant mit Doktortitel beim Berufseinstieg 23 Prozent mehr Gehalt als ein Masterabsolvent – 63.710 Euro gegenüber 51.316 Euro, also rund 10.000 Euro mehr im Jahr. Auch

Pharmareferenten profitieren von einer Promotion besonders stark: Laut Studie verdienen sie mit einem Doktortitel bereits am Anfang ihrer Karriere rund 57.900 Euro jährlich und damit 12.000 Euro mehr als ihre Kollegen mit einem Master. Der Gehaltsanstieg beträgt 26 Prozent.

 Laut Expertin Karin Wilcke geht es auch bei Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern bei der Promotion vor allem um Prestige und Gehalt, denn Unternehmensberatungen und große Kanzleien beispielsweise schmückten sich gern mit Titeln. Und tatsächlich erhalten Bewerber mit Doktor dort auch höhere Einstiegspositionen und entsprechend höhere Gehälter. Für Ingenieure sehe es auf dem Arbeitsmarkt so gut aus, dass eine Promotion meist nur für diejenigen in Frage komme, die in der universitären Forschung bleiben wollen. Denn eine Promotion bedeutet auch: späterer Berufseinstieg und weniger praktische Erfahrungen – ein jüngerer Masterabsolvent mit ersten Berufserfahrungen hat im Bewerbungsprozess so mitunter bessere Chancen als jemand, der fünf Jahre rein wissenschaftlich gearbeitet hat. Auch kann sich nicht jedes Unternehmen den „teureren“ Doktor, dem es mehr Gehalt zahlen soll, leisten.

Bei allen Überlegungen rund um die Promotion sollte man eines nicht vergessen, betont Karin Wilcke, die selbst promovierte Germanistin ist: „Man braucht Ausdauer und echten Forschergeist.“ Denn die Promotion ist die intensive Beschäftigung mit einem spezifischen Thema über Jahre hinweg. Bestenfalls ist das Thema innovativ und bringt die Wissenschaft ein Stück weiter. In dem Zusammenhang warnt Sabrina Leinhas, promovierte Wirtschaftsrechtlerin: „Mein Tipp lautet: Promovieren Sie nur, wenn Sie sich für das wissenschaftliche Arbeiten leidenschaftlich begeistern können, ansonsten lassen Sie besser die Finger davon!“.

Denn wissenschaftliches Arbeiten bedeutet eben auch: akribische Recherche und genaues Zitieren – beides kostet Zeit. Und gerade die zunehmende Berichterstattung über Plagiate und prominente Doktoren wie Schavan, zu Guttenberg und Co., die den Titel wieder abgeben mussten, schürt die Angst der Doktoranden vor Fehlern: „Man sollte von Beginn der Recherche an genau aufschreiben, wo man etwas her hat“, sagt Karin Wilcke. „Also nicht: ,Eine Amerikanische Studie besagt….‘ sondern die genaue Quelle. Das ist natürlich aufwändig, aber unerlässlich, wenn man Plagiatsvorwürfen entgehen möchte.“ Denn natürlich könne man von anderen abschreiben, aber eben als Zitat: „Ich muss kennzeichnen, dass etwas nicht von mir ist. Aber ich darf natürlich aus Quellen zitieren, diese müssen eben genau nachvollziehbar sein.“ Zeitnot sei übrigens der häufigste Grund für das Plagiieren, so Stephan Rixen, Professor für Verfassungsrecht  an der Universität Bayreuthe und Mitglied des Deutschen Ethikrates, im Interview mit „Zeit Campus“. Anstatt zu erkennen, dass man die Arbeit auf Grund von zu vielen privaten oder beruflichen Verpflichtungen nicht fertig stellen könne, werde auf Biegen und Brechen an der Promotion festgehalten.

Übrigens: Für eine Gruppe lohnt es sich am wenigsten, zu promovieren: die Geisteswissenschaftler. Sie haben nicht nur Finanzierungsschwierigkeiten während er Promotion, da es für sie kaum Stellen an den Unis gibt, die Promotion zahlt sich meist auch finanziell nicht aus.

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