Medizin in Kamp-Lintfort Doktortitel für relevante Recherche

Kamp-Lintfort · Hülya Pustu, Ärztin am St.-Bernhard-Hospital, schreibt ihre Doktorarbeit über ein relevantes Thema: Frauen in der Chirurgie. Auch wenn der Frauenanteil im Medizinstudium in den 1990er Jahren erstmals die 50-Prozent-Marke übersprang, würden sich Ärztinnen überwiegend noch für nicht-operative Fächer entscheiden.

 Hülya Pustu freut sich mit ihrem Doktorvater Gernot M. Kaiser.  Foto: SBK

Hülya Pustu freut sich mit ihrem Doktorvater Gernot M. Kaiser. Foto: SBK

Foto: SBK/Jeitner

Ein aktuelles Thema hatte sich Ärztin Hülya Pustu für ihre Doktorarbeit ausgesucht: „Frauen in der Chirurgie – Karrierechancen und Chancengleichheit“. Antworten dazu erhielt sie durch eine Umfrage unter Viszeralchirurginnen in NRW zu ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld. Hülya Pustu ist als Fachärztin in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am St.-Bernhard-Hospital tätig. Ihr Chefarzt dort, Prof. Gernot M. Kaiser, befürwortete das Promotions-Thema sofort und stand ihr auch als Doktorvater zur Seite.

„Ich bin sehr stolz auf Frau Dr. Pustu. Sie hat ihre bemerkenswerte Promotion in knapp vier Jahren abgeschlossen – und das parallel zur vollen Berufstätigkeit“, erzählt Gernot Kaiser. Den Vorteil der Tätigkeit im Hospital macht Gernot Kaiser deutlich: „Unser Haus ist nicht Mitten im Zentrum des Ruhrgebietes, sondern die Region eher ländlich und die Arbeitszeit-Belastung dadurch anders. Bei uns ist eine Vereinbarkeit von Familie und Karriere durchaus gegeben.“ Das stellt er durch einen nahezu gleichen Anteil von Ärzten und Ärztinnen in seiner Klinik unter Beweis. „Wir haben zwei Oberärztinnen (von vier) und drei Assistenzärztinnen (von sieben)“, zeigt er auf. Hülya Pustu wollte schon immer Viszeralchirurgin werden. „Und ein Doktortitel gehört für mich einfach dazu.“ Seit gerade etwas über 100 Jahren, seit 1908, dürfen Frauen in Deutschland Medizin studieren. Die erste deutsche Chirurgin war Elisabeth H. Winterhalter, sie musste allerdings im Ausland studieren. Auch wenn der Frauenanteil im Medizinstudium seit dieser Zeit stetig anstieg und in den 1990er Jahren erstmals die 50-Prozent-Marke übersprang, entscheiden sich Ärztinnen überwiegend für nicht-operative Fächer.

Diese Diskrepanz hat Hülya Pustu im Rahmen ihrer Doktorarbeit erforscht. Sie wollte wissen, warum sich Frauen für oder gegen das Berufsfeld Chirurgie entscheiden. Was ist erforderlich, um mehr Frauen für die Viszeralchirurgie zu gewinnen? Wie klappt es mit der Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben? Hülya Pustu hatte 2017 mit der Vorarbeit zu ihrer Promotion begonnen und 203 Kliniken sowie 306 E-Mail-Adressen der dort tätigen Chirurginnen ermittelt. Sie wurden von ihr mit der Bitte angeschrieben, online den anonymen Fragebogen zu beantworten. 31 der 33 Fragen waren Multiple-Choice-Fragen und zwei waren offen. Mehr als 40 Prozent der angeschriebenen Ärztinnen antworteten. „Eines wird durch meine Arbeit deutlich: Frauen sind mit dem chirurgischen Ausbildungsstand zufrieden und empfinden keine Benachteiligung im OP. Sie wollen eine Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Dazu müssen Strukturen geschaffen oder verändert werden, die dies ermöglichen.

In Universitätskliniken wurde das erkannt, beispielsweise durch Kinderbetreuung rund um die Uhr“, berichtet die junge Ärztin. Ärztinnen sind in der Chirurgie immer noch deutlich unterrepräsentiert, wobei sich ihr Anteil in den letzten drei Jahren von zehn auf 13 Prozent erhöht hat. Ein Gleichgewicht werde bei dieser Geschwindigkeit (und unveränderten Strukturen) erst in 32 Jahren erwartet. Hülya Pustu hat mit ihrem Promotionsthema aufgezeigt: „Grundsätzlich ist ein gesellschaftlicher als auch politischer Strukturwandel unabdingbar“, macht sie in ihren Schlussworten deutlich.

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