Schmerzhafte Trennungen Bleiben oder gehen?

Düsseldorf · Trennungen sind schmerzlich und erscheinen oft als persönliche Katastrophe. Dabei sollte es nach dem Aus einer Beziehung nicht um Scham und Schuld gehen, sondern um eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Frage, was schiefgegangen ist.

 Thomas und Thea Gottschalk.

Thomas und Thea Gottschalk.

Foto: dpa/Matthias Balk

Manchmal reichen die feinen Ausläufer des Risses weit zurück – womöglich bis zum Beginn einer Beziehung. So wie bei Kira und Nils. Die beiden lernen einander bei einer Party kennen, sind erfüllt in ihren Berufen, haben bereits feste Beziehungen hinter sich. Sie mag seine Lachfalten und seine unaufgesetzte Fröhlichkeit. Dass er nachlässig gekleidet ist und am liebsten Dosenravioli futtert, hat erst mal keine Bedeutung. Er ist von ihr so hingerissen, dass er von der ersten Nacht an bei ihr bleibt. Kira und Nils entscheiden nicht, ein Paar zu werden, es geschieht irgendwie. Und die Anfangseuphorie überdeckt nur kurz, dass sie unterschiedliche Ansprüche haben an das Leben und an einander. So häufen sich bald die alltäglichen Reibereien, Enttäuschungen, innerlichen Distanzierungen, auch das gemeinsame Kind ändert nichts – und es beginnt das quälende Grübeln über die Frage: Bleiben oder gehen?

 2017 wurden in Deutschland 153.500 Ehen geschieden. Das ist zwar ein Rückgang um 5,5 Prozent gegenüber den Vorjahren, doch das Niveau bleibt hoch. Und die Zahl der Trennungen von Paaren, die wie Kira und Nils gar nicht erst heiraten, wird statistisch nicht erfasst. Die Liebe fürs Leben bleibt für viele Menschen also ein unerfüllter Traum. Aber eben doch ein Traum, wie aktuelle Jugendstudien belegen, in denen die Befragten regelmäßig als wichtigste Werte nennen: einen Partner zu haben, dem sie vertrauen können, und ein gutes Familienleben führen zu können.

Mit dem Ideal der beständigen Liebe hat auch zu tun, wie Menschen eine Trennung erleben: als Katastrophe, zwischenmenschlichen Super-Gau, absolutes Versagen. „Gerade Frauen werden in der Trennungsphase oft gefragt, ob sie auch sicher seien und wirklich alles versucht hätten, die Partnerschaft zu retten, Beziehungen seien schließlich Arbeit“, sagt Heike Blümner. „Da scheint eine Art protestantische Arbeitsethik durch, und gerade Frauen wird suggeriert, sie hätten nicht genug für die Partnerschaft getan. Frauen fühlen sich auch heute eher für das Wohlbefinden Aller in der Familie verantwortlich.“ Blümner sind diese subtilen Vorhaltungen in eigenen Trennungsphasen begegnet, ihrer Kollegin Laura Ewert ebenso. Darum haben die beiden Journalistinnen das Buch "Schluss jetzt" (erschienen im Hanser-Verlag) geschrieben, in dem sie Trennungsgeschichten wie die von Kira und Nils erzählen und dafür plädieren, Trennungen nicht zusätzlich durch Stigmatisierung und Scham zu belasten.

„Wir sind überhaupt nicht gegen feste Beziehungen und Partnerschaft“, sagt Blümner, „aber wir denken, dass Menschen die Freiheit haben sollten, sich zu trennen, wenn sie merken, dass ihre Beziehungen stagnieren, dass sie sich nicht mehr füreinander interessieren, sexuell unerfüllt sind, sich nicht weiterentwickeln. Eine Trennung kann wie ein Lebensbeschleuniger wirken, der Menschen wieder voranbringt.“

Natürlich lässt sich dagegen einwenden, dass Individualisierung und die Vorstellung vom flexiblen Ich, das sich in Abständen neu erfinden sollte, womöglich erstklassige Beziehungskiller sind. Dann würden die Ideale der Gegenwart schlecht zu Lebensformen passen, die wie die Familie auf Beständigkeit und Verlässlichkeit bauen. Aus der Befreiung von der idealisierten Paarbeziehung wäre dann nur idealisierter Individualismus geworden. Dabei bedeutet moderne Partnerschaft doch, den anderen zu sehen, wie er ist, und einander Raum für Veränderung zuzugestehen. Das muss nicht in Stagnation führen, ist aber sicher eine lebenslange Aufgabe.

Empirisch untersucht ist das alles nicht. Genauso wenig wie die These von der „Scheidungsspirale“, die Mitte der 1990er Jahre von den Soziologen Andreas Diekmann und Henriette Engelhardt aufgestellt wurde. Demnach steigt die Bereitschaft, sich zu trennen, wenn Leute in ihrem Umfeld häufiger erleben, dass andere diesen Schritt auch tun. Und wenn sie sich ausrechnen, dass bei höherer Trennungsrate auch der Partnermarkt für die Zweit- und Drittbeziehung wächst.

Statistisch belegt ist bisher nur, dass Kinder geschiedener Eltern eine höhere Neigung zeigen, sich selbst später auch scheiden zu lassen. Erwiesen ist überdies, dass Kinder die Trennung ihrer Eltern besser verkraften, wenn die Eltern nach der Scheidung zu einem guten Miteinander finden und sich die Verantwortung für die Kinder friedlich teilen. Womöglich klappt das eher, wenn es bei einer Trennung nicht um Versagen und Schuldzuweisungen gehen muss, sondern beide Partner ohne Druck von außen für sich anerkennen lernen, was nicht gut gelaufen ist.

„Die Scheidungsursachen sind gut erforscht – und bei allen gesellschaftlichen Veränderungen überraschend stabil“, sagt die Soziologin Heike Trappe, Mitherausgeberin der Broschüre „Familien – Trennung – Scheidung“. Demnach senken höheres Heiratsalter, religiöse Bindung, gemeinsame Kinder oder gemeinsames Wohneigentum – also Investitionen in die Ehe – das Scheidungsrisiko. Dagegen zerbrechen Partnerschaften statistisch gesehen eher, wenn Menschen in der Stadt leben, binational heiraten oder vor der Ehe schon unverheiratet zusammengelebt haben. Diesen Effekt führen Soziologen darauf zurück, dass Menschen, die direkt in die Ehe starten, darin einen besonders hohen Wert sehen oder dies aus religiösen Gründen tun und dann auch eher an der Bindung festhalten.

Heike Blümner glaubt, dass es gerade wieder eine Rückkehr zur Idealisierung der Zweierbeziehung gibt. Das habe mit der Verunsicherung in vielen Lebensbereichen zu tun. Der feste Partner erscheine als letzter Halt in einer politisch wie ökonomisch instabilen, ungewissen Welt. „Ich würde mir wünschen, dass ein befreiter Umgang mit dem Thema Trennung auch dazu führt, dass Menschen sich anderen Allianzen zuwenden“, sagt Heike Blümner. „Wir sollten unser Glück nicht nur an Paarbeziehungen hängen, sondern verstärkt auf andere Bindungen wie Freundschaft und Nachbarschaft setzen.“ Auch solche Netzwerke böten Halt – Alleinlebenden wie Paaren.

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