Besuch einer Familienkrankenschwester nach der Geburt „Dieses Willkommen ist ernst gemeint“

Wermelskirchen · Kaum ist ein Baby auf der Welt bekommen Familien in Wermelskirchen Post von der Stadt – um den Neubürger willkommen zu heißen und einen Besuch von Familienkrankenschwester Iris Koch anzubieten. Fast alle nehmen an.

 „Hallo, ich bin Frau Koch von der Stadt“: Iris Koch stattet frisch gebackenen Eltern einen Besuch ab und bringt Geschenke der Stadt im grünen Rucksack mit.

„Hallo, ich bin Frau Koch von der Stadt“: Iris Koch stattet frisch gebackenen Eltern einen Besuch ab und bringt Geschenke der Stadt im grünen Rucksack mit.

Foto: Theresa Demski

Neulich klingelte Iris Koch mal wieder an einer fremden Tür in Wermelskirchen. Sie hatte sich mit dem Geschenkpaket der Stadt auf den Weg zu einer frisch gebackenen Familie gemacht – um den kleinen Erdenbürger im Namen der Bürgermeisterin willkommen zu heißen, Geschenke vorbeizubringen und vor allem um offenen Fragen begegnen zu können. Ihr öffnete eine Mutter mit Baby auf dem Arm. „Es war ein kurzes, freundliches Gespräch“, erzählt Iris Koch, „das ist so schön an meinem Beruf: Die meisten freuen sich, wenn ich komme.“ Offene Fragen gab es nicht, Gesprächsbedarf auch nicht und so wünschte die Familienkrankenschwester den frisch gebackenen Eltern alles Gute und ging ihrer Wege.

Drei Tage später klingelte das Telefon bei Iris Koch: Die junge Mutter war am anderen Ende, sie wirkte aufgelöst und hatte in ihrer Not auf der Visitenkarte im Willkommens-Paket die Nummer von Iris Koch gefunden. Ihr Kind, das krank zur Welt gekommen sei, nehme einfach nicht zu, berichtete die junge Frau. Und sie sei am Ende ihres Lateins und ihrer Kräfte. Iris Koch setze sich ins Auto, fuhr den inzwischen bekannten Weg, nahm ihre Babywaage vom Rücksitz und klingelte erneut an der Tür. Dieses Mal waren der Mutter die Fragen ins Gesicht geschrieben – und Iris Koch brachte Antworten mit, ein bisschen Sicherheit und viel Erfahrung. Sie kam mit der Mutter ins Gespräch und versprach, am nächsten Tag wieder zu kommen. „Da war die ganze Familie schon beruhigter und weniger aufgelöst“, ­­erzählt Iris Koch. Sie vermittelte den frisch gebackenen Eltern eine Familienhebamme, die bis zu einem Jahr hilft, wenn Hilfe gebraucht wird.

Und dann machte sich Iris Koch auf den Heimweg – selbst beruhigt und einmal mehr zufrieden mit ihrer Berufswahl. Die examinierte Kinderkrankenschwester arbeitet für die Caritas – und ist in dieser Funktion als Willkommensbesucherin für die Stadt Wermelskirchen unterwegs. Sobald Eltern ihren Familienzuwachs gemeldet haben, schickt die Bürgermeisterin einen Willkommensbrief los. „Das Willkommen ist wörtlich zu nehmen“, sagt Jugendamtsleiterin Barbara Frank, „wir wollen, dass sich Familien in unserer Stadt wohlfühlen.“ Mit dem Brief bekommen die Familien auch einen Terminvorschlag für einen Willkommensbesuch von Iris Koch. Es sei gut, wenn dann nicht jemand aus der Verwaltung vor der Tür stehe, sagt Barbara Frank – deswegen holt die Stadt die Caritas mit ins Boot. Das Jugendamt spricht bei den Willkommensbesuchen, die unter dem Dach der „Frühen Hilfen“ stattfinden, von dem ersten Baustein in der Präventionskette. „Es geht dabei aber in keiner Weise um Kontrolle oder darum, einen Fuß in der Tür haben zu wollen“, betont Michael Haaser, der im Rathaus für die „Frühen Hilfen“ verantwortlich ist. Ganz im Gegenteil.

Einer der wichtigsten Bausteine der Prävention sei die Information: Und die stehe im Mittelpunkt des Willkommensbesuchs. Deswegen ist es dem Jugendamt so wichtig, zu betonen: Keine Daten werden aufbewahrt, es gibt keine Rückmeldungen an das Jugendamt. Stattdessen erhalten die Familien ein Geschenkpaket – mit kleinen Präsenten und vor allem mit einem großen Packen Informationen über Angebote für Eltern und Kinder, über das Anmeldeverfahren für Kindertagesstätten oder Tagesmütter, für Kontakte zum Kinderarzt.

Rund 98 Prozent der Familien nehmen den Terminvorschlag für den Besuch von Iris Koch an. „Manchmal rufen sogar Eltern im Rathaus an und fragen, warum noch niemand vorbeigekommen sei“, erzählt Michael Haaser, „wir haben sehr gute Rückmeldungen.“ Das mag mit dem ausgesprochen freundlichen Wesen von Iris Koch zusammenhängen, mit ihrer ruhigen Art, mit der die vierfache Mutter auch auf schwierige Fragen eingeht und ihrem großen Wissensschatz, den sie mitbringt. Und mit ihrer Offenheit. Ihre ersten Worte sind immer die gleichen: „Hallo, ich bin Frau Koch von der Stadt!“ Dann erkundigt sie sich nach der Geburt und fragt, ob es noch Unsicherheiten gebe.

„Wenn Eltern gut vernetzt sind oder schon das zweite oder dritte Kind bekommen haben, dann dauern die Besuche meistens nicht lange“, erzählt die 44-Jährige. Andere Eltern nutzen die Gelegenheit und stellen viele offene Fragen. Erst recht seit der Corona-Pandemie. Seit der Krise sei der Informationsaustausch unter Müttern deutlich zurückgegangen, sagt Iris Koch. Elterncafés und Pekipkurse (Prager-Eltern-Kind-Programm) finden nicht statt. „Viele Eltern sind dann erstmal alleine mit ihrer Unsicherheit“, sagt sie, „denn mit der Geburt eines Kindes verändert sich einfach alles.“ Und weil Begegnung und Austausch fehlen, haben sich die Fragen an Iris Koch verändert. Früher sei es häufig vor allem darum gegangen, wie das Anmeldeverfahren für Kitas in der Stadt ablaufe. „Heute fragen mich Eltern zur Ernährung ihrer Kinder oder wie oft die Babys gebadet werden sollen“, sagt die Kinderkrankenschwester. Weil es inzwischen wie ein „Sechser im Lotto“ sei, eine Hebamme zu bekommen, sei es umso wichtiger, eine Anlaufstelle für die Fragen zu haben.

Manchmal weist Iris Koch die Familien auf die Beratungsstelle oder die Schreiambulanz hin oder informiert über die Möglichkeit, mit dem Kinderarzt über Frühförderung zu sprechen. „Aber dort müssen die Familien selbst anrufen, wenn sie sich Hilfe wünschen“, sagt Iris Koch, „das bleibt ihre freie Entscheidung.

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