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Winterstarre: Botho Strauß am Schauspiel Düsseldorf

Schnee fällt auch im Inneren des Theaters. Er rieselt auf einen weitläufig ausgebreiteten Vorhang, auf spärlich herumstehendes Mobiliar der siebziger Jahre einschließlich Christbaum, auf einen Rollstuhl und einen Rollator. Und er mottet sieben Personen, die ihre besten Zeiten hinter sich haben, weiter ein. Es sind die Protagonisten eines Botho-Strauß-Stücks von 1974. "Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle" ist die intellektuelle Bloßlegung eines damaligen Zeitgefühls von Stillstand zwischen dem 68er Aufbruch und dem deutschen Herbst des Terrors. Handlungsort ist ein Hotel in Königswinter, wo, damals noch in der Nähe der Bundeshauptstadt, ein Besitzerpaar und fünf Dauergäste die Zeit mit Tanzen und Stammtisch-Utopien totschlagen.

Die Bühne für Stefan Rottkamps Inszenierung der Straußschen Schaudiskurse im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels am Gründgensplatz stammt von Robert Schweer. Dazu gehören noch drei ins Nichts führende Flügeltüren und eine raffinierte Bodenfalle.

Rottkamp aber setzt weniger auf Wiederbelebung des Stücks als auf dessen Mumifizierung. Es war schon immer mit Sartres "geschlossener Gesellschaft" verglichen worden, wo irgendwann die Feststellung fiel, dass die Anderen die Hölle sind. In dieser Version des worttückischen Spiels aber reagiert man überhaupt nicht aufeinander. Viele Sätze fallen, manche täuschen Bedeutung vor, doch außer Stühlerücken und ein paar Körpergesten geschieht nichts. Eine Winterstarre als Programm.

Das ist schade, und es liegt keineswegs an den Darstellern. Komik kommt auf, als die fresssüchtige Hedda der Christiane Rossbach ihren "Durchbruch" hat. Wo man bei der Körperfülle an eine Darmblutung denken könnte, entweicht ihrer Luftröhre ein lange blockierter Schlagertext. Doch geradezu dankbar empfindet man den Beginn der zweiten Hälfte des 100-Minuten-Abends, wenn Michele Cuciuffo (Hotelbesitzer Stefan) und sein Faktotum Guenther (gespielt von Wolfram Rupperti) einen handfesten Streit beginnen. Stefan will nämlich das längst bankrotte Hotel dem Innenministerium überschreiben und sich dort mit einem Verwaltungspöstchen begnügen, während Guenther aus der ökonomischen Krise flugs eine Vergesellschaftungsvision entwickelt. Am Ende des Abends hat sich der Hotelbesitzer für immer in eine Tiefkühltruhe verkrochen.

Handlungsfaden der Strauß-Komödie ist die Vorbereitung auf einen Tanzwettbewerb, für dessen Teilnahme Stefans Frau Doris (Janina Sachau) und Guenther auf eine perfekte Paar-Harmonie hinarbeiten. Es wird auch getanzt in Rottkamps Inszenierung, doch die Frage bleibt, für welchen Zeitgeist man hier die Beine schwingt. Ein Weihnachtsstück für Erwachsene ist es jedenfalls nicht so richtig geworden. Applaus daher vor allem für die Schauspielkunst.

(Rheinische Post)
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