Schauspiel Köln: Elfriede Jelinek blickt in den Abgrund

Köln Und dann kommt das Wasser. Eine Fontäne erhebt sich aus einer Spalte im Bühnenboden. Mannshoch. Trotzdem versucht der Herr im Anzug, den Anblick vor dem Publikum zu verbergen. Er stellt sich vor die Fontäne. Mit Unschuldsmiene, wie ein Knabe vor dem Tannenbaum.

Dann versucht er, die Quelle niederzuringen. Vergeblich. Die Katastrophe lässt sich nicht aufhalten, die Vertuschung ist unmöglich – und das Bemühen lächerlich. Elfriede Jelinek hat Köln ein Stück geschrieben. Über die Katastrophe beim U-Bahn-Bau, die Zerstörung des Stadtarchivs, den Tod zweier Männer. Und über den Hochmut des Menschen, der die Erde durch Technik beherrschen, im Katastrophenfall aber nicht schuld sein will.

Die Kölner Intendantin Karin Beier macht aus dieser ironischen Klage eine hochvirtuos inszenierte Satire, indem sie den Text durch eigene Bilder kommentiert. Da feiern Büroleute eine Party, als es aus einem Wasserrohr gluckst. Kurze Panik. Dann zieht einer sein Papphütchen vom Kopf und steckt es in das Rohr.

Oder eine Karikatur des damaligen Oberbürgermeisters Fritz Schramma tritt auf. Er mimt Playback zu Originalzitaten des OB aus den Unglückstagen, in denen sich die Ignoranz und Überforderung der Verantwortlichen offenbart.

Eine tragikomische Schildbürger-Farce inszeniert Beier da in den Jelinek-Text hinein. Schließlich hat sie selbst beim Hickhack um den Neubau ihres Hauses Erfahrungen mit Bauwahn und Bürokratie gemacht.

Doch wöge das alles wohl zu leicht, wäre "Ein Sturz" nicht nur der Epilog. Zuvor sind zwei andere Jelinek-Werke zu erleben, die Köln einreihen in eine dunkle Tradition. "Im Bus" handelt von einem Unglück beim U-Bahn-Graben in München. "Das Werk" beschäftigt sich mit dem Bau des gewaltigen Speicherkraftwerks von Kaprun, bei dem während der Nazi-Zeit Zwangsarbeiter eingesetzt wurden – und starben.

Bei Karin Beier bilden die Opfer einen Männerchor, der den Jelinek-Text chorisch vorträgt. Eine von vielen starken Inszenierungsideen.

Am Ende schlägt nur noch die Totenglocke. Da erheben sich die Zuschauer in Köln, Wut entlädt sich im Beifall.

Doch weder der frühere noch der amtierende Oberbürgermeister saßen im Publikum.

(Rheinische Post)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort