Paul Maar Das Sams bekommt ein Brüderchen

Düsseldorf · Zum Start der Leipziger Buchmesse am Donnerstag spricht der Autor der Sams-Bücher über seine neue Figur – sie heißt Galimat.

 Paul Maar mit seinem "Kind" Sams (links) und dessen neuem Brüderchen Galimat.

Paul Maar mit seinem "Kind" Sams (links) und dessen neuem Brüderchen Galimat.

Foto: Oertinger, Montage: Radowski/Ferl

Zum Start der Leipziger Buchmesse am Donnerstag spricht der Autor der Sams-Bücher über seine neue Figur — sie heißt Galimat.

 Der Erfinder des kinderwelt-berühmten Sams: Paul Maar mit einigen seiner Geschöpfe in seinem Arbeitszimmer.

Der Erfinder des kinderwelt-berühmten Sams: Paul Maar mit einigen seiner Geschöpfe in seinem Arbeitszimmer.

Foto: dpa

Über vier Millionen Mal verkauften sich allein die Geschichten vom Sams, diesem frechen Fabeltier. Das sollte nach dem Wunsch seines Schöpfers Paul Maar eigentlich Sommersprossen haben. Doch weil der Autor gerade nur einen blauen Buntstift zur Hand hatte, wurden diese eben blau und aus den Sommersprossen die berühmten Wunschpunkte. Jetzt hat das Sams einen Kumpel bekommen mit ganz eigenem Unsinn im Kopf. Zur Buchmesse in Leipzig erscheint "Der Galimat", ein Wesen, das dem zehnjährigen Jim ein paar tolle Ideen fürs Leben schenkt, die so wunderlich sind, dass man sie gelesen haben muss, um sie auch glauben zu können.

Mit Ihrem neuen Buch "Der Galimat" machen Sie wieder einen merkwürdigen Einzelgänger zum Helden Ihrer Geschichte.

Maar Jim wird in der Schule gemobbt. Und ein bisschen musste ich dabei auch an mich selbst denken. Dieses Gefühl gehört nämlich zu meinen dunklen Kindheitserinnerungen.

Wie kam das?

Maar Ich bin 1937, kurz vor Kriegsbeginn geboren. Mein Vater war bei der Marine und irgendwann im Krieg abhanden gekommen. Ich selbst bin in einem fränkischen Dorf groß geworden, und als ich dann auf das Gymnasium in Schweinfurt kam und dort mein breites Fränkisch sprach, gab es jedes Mal ein unglaubliches Gelächter. Ich war plötzlich so etwas wie der Klassenclown, der in den Pausen auch körperlich angegriffen wurde. Der Anfang meiner Schulzeit in Schweinfurt war für mich eine besonders schlimme Zeit. Auch daran habe ich mich erinnert, als ich jetzt die Geschichte über den Jungen Jim geschrieben habe. Der wird allerdings aus einem ganz anderen Grund gemobbt - nämlich, weil er als Besserwisser und Angeber gilt.

Sie haben in Kindertagen außerdem in der eigenen Familie selbst einige Widerstände überwinden müssen, um überhaupt Bücher lesen zu können.

Maar Interessanterweise durfte ich nur ein einziges Buch lesen; und darin habe ich jeden Tag geschmökert. Es war der große Sprach-Brockhaus von 1935. Das ist dann praktisch wieder die Geschichte von Jim, der mit seinem Lexikon-Wissen aufzutrumpfen versucht. Dieser Brockhaus hatte für mich aber noch eine andere Bedeutung. Weil in dem Buch in schöner großer Schrift der Name meiner verstorbenen Mutter stand, Betty Benker. Das Buch war also das, was meine Mutter mir hinterlassen hat; sonst gab es praktisch nichts mehr von ihr. Nur in diesem Buch durfte ich lesen; die Beschäftigung mit anderen literarischen Werken empfand mein Vater dagegen als pure Zeitverschwendung.

Ist das Dasein eines Einzelgängers oft der Beginn auch einer Karriere als Leser?

Maar Ja, das trifft oft zu.

In "Der Galimat" muss Jim ohne Eltern aufwachsen. Spiegelt auch das in Ansätzen Ihre Jugend wider?

Maar Das ist eher unbewusst. Aber wo sie das jetzt ansprechen, gibt es auch in der Abwesenheit meines Vaters eine Parallele. Als er aus der Gefangenschaft heimkam, kannten wir einander gar nicht mehr. Er war für mich ein völlig unbekannter Mann. Wir mussten erst einmal wieder zueinander finden.

Jim sagt zu jedem Stichwort gleich die Lexikon-Definition auf. Wie würde denn der Lexikon-Eintrag zum Galimat lauten?

Maar Eine Fantasiefigur von kugeligem Aussehen mit auffällig abstehenden Ohren, die auf ihrem oberen Rand zwei merkwürdige lange Haare haben, die aussehen wie zwei Antennen.

Mir kam der Galimat wie ein Bruder des berühmten Sams vor.

Maar Das kann ich nachvollziehen. In meiner ersten Fassung hat der Galimat sogar noch viel gereimt. Damit war die Verwandtschaft zum Sams aber zu stark. Der Galimat sollte eine eigenständige Figur werden. Deswegen habe ich ihm andere Spracheigenheiten gegeben. Vor allem die, dass er das letzte Wort seiner Rede immer wiederholt, damit man weiß, wann sein Sprechen zu Ende ist. Ein kleiner Leser hat mir daraufhin einen Brief geschrieben, dass das eine tolle Idee sei, weil er von Erwachsenen auch ständig im Reden unterbrochen werde.

Sind Ihre Fantasiewelten Gegenwelten zur unschönen Wirklichkeit?

Maar Ich gehe immer von einer realistischen Welt aus, in die ein fantastisches Wesen eindringt und alles auf den Kopf stellt. So ist es auch beim Galimat. Mit seiner Hilfe gelingt es Jim nicht zu fliehen, sondern sich am Ende in der realistischen Welt wieder zurecht zu finden.

Was heißt eigentlich der Name Galimat?

Maar Es gibt von Mozart eine Komposition namens ,Galimathias Musicum'. Galimathias bedeutet danach Unsinn und Nonsens.

Gibt es eigentlich zu wenig Unsinn in der Welt?

Maar Sagen wir es einmal so: Es könnte entschieden mehr Unsinn geben in unserer Welt. Ich jedenfalls habe mich immer verwandt gefühlt mit den großen Vertretern der neuen Frankfurter Schule wie Gernhardt, Bernstein und Waechter.

Welche Fehler werden am häufigsten gemacht bei dem Versuch, Kinder an die Literatur heranzuführen?

Maar Ich glaube, man müsste den Kindern die Bücher wegnehmen und Ihnen das Lesen verbieten. Dadurch wir das Lesen erst ungeheuer interessant. Man sollte die Empfehlung zum Lesen also auf keinen Fall zu irgendeinem Zwang machen.

Gerade Kinder und Jugendliche lesen verstärkt digitale Bücher. Werden sich dadurch künftig auch die Geschichten wandeln?

Maar Das glaube ich nicht. Es entsteht bislang noch immer erst ein traditionelles Buch, aus dem dann ein digitales Werk entwickelt wird. Das Buch wird überleben. Ich glaube, Kinder werden ins Bett viel lieber ein Buch mitnehmen und unters Kopfkissen legen als einen E-Book-Reader.

Tickets für die Lesungen von Paul Maar auf der lit.Cologne können sie bei westticket.de erhalten.

(RP)
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