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Schröder eröffnet umstrittene Schau Nam June Paik und Nauman: Flick-Kunst in Berlin

Berlin (rpo). Ab Dienstag sollen in der Berliner Rieck-Halle zunächst 400 und dann in den folgenden sieben Jahren nach und nach die anderen Arbeiten aus der Privatsammlung von Friedrich Christian Flick zu sehen sein. Die Ausstellung am Hamburger Bahnhof enthält Werke der herausragenden Künstler Bruce Nauman, Nam June Paik, Martin Kippenberger, Alberto Giacometti oder Pipilotti Rist. Kanzler Gerhard Schröder will die umstrittene Schau eröffnen.

Insgesamt umfasst Flicks Sammlung rund 2.000 Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Videos und Installationen von 150 Künstlern. Damit gilt sie weltweit als eine der bedeutendsten zur zeitgenössischen Kunst.

Schröder wird zu den ersten gehören, die sich die Ausstellung ansehen werden. Er will mit der Eröffnung zeigen, dass die Bundesregierung weiter die Ansicht teilt, es sei richtig, "Mick" Flicks Kollektion in Berlin zu zeigen. Dieser hatte seine Kunstwerke der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Dauer von sieben Jahren geliehen und die Ausstellungshalle für acht Millionen Euro ausbauen lassen.

Zuvor hatte Flicks Wahlheimat Zürich sein Angebot abgelehnt, die Sammlung zu präsentieren. Begründung: Flicks Großvater hatte ein Rüstungsimperium geleitet, das in der NS-Zeit zehntausende Zwangsarbeiter ausbeutete. Der Konzern war als Waffenlieferant eine der industriellen Hauptstützen des Nazi-Regimes. Weiterer Kritikpunkt: Flick habe sich geweigert, in den Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter einzuzahlen. Stattdessen hatte er aber in Potsdam mit zehn Millionen Mark eine Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz gegründet.

Protestfront auch in Berlin

Mittlerweile hat sich auch in Berlin eine Protestfront gegen die geplante Ausstellung gebildet. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, warf Flick vor, die Kunst sei mit dem "Blutgeld" seines Großvaters erworben worden. Bruder Gert-Rudolf Flick und Schwester Dagmar Ottmann zählen ebenfalls zu den Kritikern. Ottmann plädierte für eine Verschiebung, solange die Familiengeschichte nicht hinreichend aufgearbeitet sei.

Der Maler Gerhard Richter wird in der "Zeit" zitiert: "Da wird mit Namen gepokert, da werden Werte und Qualitäten behauptet, und eigentlich wird nur gezeigt, wie leicht und wie schnell es heute geht, eine so genannte hochkarätige Sammlung hinzuklotzen. Mit etwas Geld kann das fast jeder."

Es gibt auch andere Reaktionen auf die Ausstellung: Am Montag wollen ehemalige Zwangsarbeiterinnen im Berliner Otto-Suhr-Institut über ihre Erfahrungen in den Flick-Fabriken berichten. Gegenüber der Ausstellungshalle hängen zwei Plakate von Künstlerinnen. Auf dem einen steht: "Wir fordern: Freier Eintritt für ehemalige ZwangsarbeiterInnen!" Der normale Preis beträgt neun Euro, der ermäßigte vier Euro. Auf dem anderen: "Steuerflüchtlinge, zeigt eure Schätze!" Die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst will mit einer Podiumsdiskussion in der Akademie der Künste anregen, über Fragen zu sprechen, "die in der unkritischen Sicht" auf Flicks Leihgaben untergegangen seien. Im Museum Prenzlauer Berg ist die Ausstellung "Zwangsarbeit in Berlin 1938-1945 und das Beispiel Flick" zu sehen.

Andere Künstler verteidigen das Verhalten Flicks: "Das viel größere Problem ist ja eh der deutsche Staat, der sich mit der Kunst schmücken will, um jeden Preis - und dabei völlig vergisst, nach der Vergangenheit zu fragen", wird der belgische Künstler Luc Tuymans von der "Zeit" zitiert.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz versteht die Präsentation als "essayistische Annäherung" an das künstlerische Denken des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. In unterschiedlichen Kapiteln sollen zentrale Fragen der Gegenwartskunst aufgenommen werden. Und - anders als häufig vorgeworfen - werde auch die Herkunft Flicks beleuchtet: Zentraler Bestandteil der Ausstellungskonzeption sei eine Zeitung, in deren Mittelpunkt ein Gespräch mit Flick stehe. Ausdrücklich seien dort auch jene Fragen angesprochen, die momentan kontrovers diskutiert würden.

Zur Eröffnung soll die Flick-Collection nicht nur in der Rieck-Halle, sondern im gesamten Hamburger Bahnhof auf 13.000 Quadratmetern Fläche gezeigt werden. Was mit der Sammlung nach Ablauf der Leihfrist in sieben Jahren geschieht, will bislang noch niemand sagen.

(ap)
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