30 Jahre BAP - Niedecken im Interview Verdamp lang her

Düsseldorf (RP). Der Kölner Sänger Wolfgang Niedecken über 30 Jahre BAP, Demokratie in Bands und eine sehr lange Autofahrt mit Bob Dylan.

 Gelungener Tournee-Auftakt für Wolfgang Niedecken und seine Kollegen.

Gelungener Tournee-Auftakt für Wolfgang Niedecken und seine Kollegen.

Foto: ddp

Vor 30 Jahren gründeten sich BAP, vor 25 Jahren lief "Verdamp lang her". Hätten Sie damals gedacht, dass Ihre Band so alt würde?

Niedecken Niemals. Als wir 1981 plötzlich mit dem Lied den großen Erfolg hatten, da dachte ich, dass das eine Eintagsfliege würde. Ich dachte, dass ich zwei Jahre später wieder im Atelier säße und Bilder malen würde.

Würden Sie gerne noch ein Album schreiben, das alle Kritiker begeistert?

Niedecken Natürlich wäre es cooler zu sagen, die Kritiken interessieren mich nicht. So unemotional bin ich aber nicht. Ich lese das und denke drüber nach. Manchmal weiß ich auch, dass die Kritik stimmt. Ich weiß, wo unsere Stärken und wo Schwächen sind.

Die Schwächen wären

Niedecken Ich möchte mal ein Album machen, bei dem jedes Stück mit dem anderern zusammenhängt. Gerne würde ich den U2-Produzenten Daniel Lanois für uns gewinnen. Noch ist das Zukunftsmusik.

Ärgert Sie, dass das Lied "Verdamp lang her" vielen zur Glorifizierung des Vergangenen dient? Bei Schützenfesten und Silberhochzeiten liegen sich Menschen zu dem Lied in den Armen. Ist der BAP-Fan rückwärtsgewandt?

Niedecken Ach, dieses Lied "Verdamp lang her" mit immer nur dieser einen Zeile im Refrain - das hat dazu geführt, dass jeder das Lied mit seinem Inhalt füllen kann. Der BAP-Fan selbst ist nicht rückwärtsgewandt. Die, die dieses Lied gut finden, sind nur Beinahe-BAP-Fans. Unsere Fans warten auf wirklich Neues. Für reine BAP-Fans ist auch unsere aktuelle Best-Of-Tour nur Beiwerk. Die freuen sich auf neue Songs. Bei der nächsten Tour werden wir wieder mindestens ein Drittel neue Stücke und ältere Stücke spiele. Sonst endet man als eigene Coverband im Bierzelt.

Würden Sie gerne die Wunden kitten, die bei BAP durch Trennungen und Neubesetzungen bleiben werden?

Niedecken Die Jahre 1986 bis 1999 war natürlich eine Zeit, in der wir innerhalb der Band viel Streit hatten - im positiven Sinne. Mit diesem Tauziehen nahmen wir uns oft die Kraft. Andererseits war das Tauziehen nötig. So wie es jetzt ist, bin ich absolut glücklich. Damals herrschte noch Basisdemokratie in der Band. Die habe ich abgeschafft.

Das überrascht. Wir kannten Niedecken als Gutmenschen, als Stimme für Afrika, als Stimme gegen rechts - als Diktator noch nicht.

Niedecken Nicht falsch verstehen. Ich bin total scharf drauf, von den anderen vier BAPs ihre Meinung zu erfahren. Ich halte die für ungeheuer kompetent. Am Schluss muss aber immer einer entscheiden.

Das erinnert an die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern. Das war ja auch so eine Story von Dickköpfen.

Niedecken Meinem Großvater wird gefallen, was gerade mit mir passiert. Der sitzt bestimmt auf einer Wolke und freut sich einen ab. Ich bin ihm eng verbunden. Zehn Tage, nachdem mein Großvater in einem Kölner Krankenhaus verstarb, bin ich genau in diesem Krankenhaus zur Welt gekommen. Er war Kirchenmaler. Es gibt eine wunderbare Geschichte, die habe ich noch nie erzählt. Im ersten Weltkrieg nämlich war mein Opa mit der Familie in Thüringen untergebracht. Er stellte Krippenfiguren aus Laubsägearbeiten her und bemalte sie, um die Familie über Wasser zu halten. Meine Cousinen mussten die Figuren im Umland verkaufen. Beim Essen fragte mein Großvater immer, ob die Mahlzeit durch seine Krippenfiguren finanziert wurde: "Is dat hä vunn minge Krippefijure?" Die Cousinen bejahten das immer. Doch sie belogen ihn. Eigentlich haben die nie was verkauft.

Und Ihre Eltern?

Niedecken Wir hatten eine Lebensmittelladen in Köln. Manche sagen "Tante-Emma-Laden". Aber den Begriff hasse ich. Meine Mutter, die im Laden arbeitete, war keine Tante Emma. Sie war eine schöne Frau, wie Sophia Loren.

Wie ist es um die Realitätsnähe des FC-Köln-Fans Niedecken bestellt?

Niedecken Ich bin sicher, dass Christoph Daum den Abstieg in die Regionalliga verhindern kann. Im Ernst: Die Gefahr ist, dass der FC ein Verein wird, der nicht auf Talente baut. Das gefällt mir nicht.

Und was denkt Niedecken als Dylan-Verehrer über dessen neues Album?

Niedecken Der Typ hat es raus. Ich bin letztens mit dem Auto nach Marokko gefahren und hörte die ganze Autofahrt vom ersten bis zum letzten Studioalbum nur Dylan. Vor der Haustür habe ich das Debüt "Bob Dylan" eingelegt. Als ich in Marokko ankam, lief "Modern Times" - eine tolle Autofahrt mit Bob.

Was hören und schauen Sie sich sonst so an im Pop-Zirkus?

Niedecken In diesem Jahr war ich mit meinen beiden Söhnen bei den Stones und mit den Töchtern bei The Who und Dylan. Dylan fanden die langweilig. Kann ich verstehen. Und The Who fanden die zu aggressiv. Kann ich auch verstehen. Männer sollten nett sein bei Konzerten.

Passiert es Ihnen, dass Sie auf der Bühne Band oder Crew anmaulen?

Niedecken Nie! Ich kann hinter der Bühne auch mal 'ne ernsthafte Ansage machen. Aber nie vor den Leuten. Das gehört sich nicht.

Das Interview führte Sebastian Peters.

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