Düsseldorf Händels "Xerxes" als barocke Muppet-Show

Düsseldorf · Bei der Premiere in der Rheinoper greift Regisseur Stefan Herheim tief in die Requisiten-Mottenkiste. Das Publikum war begeistert.

Aus Händels "Xerxes" ist eigentlich nur der Schlager "Ombra mai fu" im Gehör, ansonsten hat die Oper von der Händel-Renaissance bislang wenig profitiert. Was auch daran liegt, dass Händel das berühmte Largo zu Beginn abfackelt und in den Stunden danach einiges an musikalischer Meterware abschnurrt. Händel kämpfte im "Xerxes" mit den Balanceverlusten der Umbruchzeit, in der die Helden der Opera seria nicht mehr gefragt waren und derbe Menschen auf die Bühne drängten. Das macht "Xerxes" zu einem Zwitter und einem zwischen Anachronismus und Weitsicht schlingernden Werk.

Genau das hat den norwegischen Regisseur Stefan Herheim gereizt und ihm mit seiner für die Berliner Komische Oper konzipierten Inszenierung den Hit der vergangenen Saison beschert. Nun kam die Koproduktion mit neuer Sängerbesetzung an der Düsseldorfer Rheinoper zur ebenfalls umjubelten Premiere.

Für Herheim stehen die Fragestellungen der Umbruchzeit im Zentrum, die er mit dem (sehr alten) Trick der Theater-auf-dem-Theater-Situation zu verdeutlichen glaubt: Auf die Bühne (Heike Scheele) hat er Händels King's Theatre inklusive morscher Hinterbühne nachbauen lassen. Diese mit dem Charme des Maroden spekulierende Szenerie ächzt in ständiger Bewegung, die Drehbühne qualmt, barocke Kulissen werden geschleppt, bemalte Prospekte ruckeln vom Bühnenhimmel, und irgendwann plumpst ein von Romildas Eifersuchtspfeil getroffener Gummi-Putto auf die Bühne. Gleich zu Beginn, nachdem der Titelheld sich im Largo lüstern am besungenen Baum reibt, treten drei Statisten in Schafkostümen auf, wackeln im Takt mit den Vorderhufen und blöken so herzhaft, dass sie die wunderfeinen Blockflöten im Orchester übertönen.

Herheim greift tief hinein in die Requisiten-Mottenkiste, zahllose Kostümwechsel (Gesine Völlm) beschäftigen das Auge, doch wird die barocke Federbusch-Pracht bis an den Rand der Lächerlichkeit hochgetrieben. Ähnlich verhält es sich mit der bis in die kleinste Geste choreografierten Personenregie: viel Aktion und Pose, drastische Komik bis zum Klamauk, doch keinerlei psychologische Tiefenschärfe. Bei einem gewitzten Regisseur wie Herheim ist das kein Unfall, sondern Absicht; dennoch wird das Gehampel und Gekreisch nach dem fünften Busengrapschen und dem siebten Griff in den Schritt arg schal, und in der zweiten Hälfte zieht es sich. Durchweg superb ist die musikalische Seite: Konrad Junghänel ermuntert die Neue Düsseldorfer Hofmusik zu feinem Farbspiel und musikantischer Vitalität. Die famose Sängerschar wird angeführt von Valer Barna-Sabadus in der Titelrolle: Sein "Ombra mai fu" mit dem unendlich langen "O ..." fährt dem Hörer unmittelbar ins Rückenmark, und überhaupt fließt sein mezzo-weicher Countertenor mit Grandezza. Fabelhaft auch Terry Weys hell timbrierter Arsamenes, gefolgt von Anke Krabbes schwindelfreier Atalanta und Heidi Elisabeth Meiers etwas unterkühlter Romilda.

(RP)
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