'Rosenstraße' - Vergessene Episode alltäglichen Widerstands

Frankfurt/Main (rpo). Margarethe von Trottas "Rosenstraße" will einem der wenigen verbürgten Fälle von Zivilcourage im Dritten Reich ein Denkmal setzen. Doch sie dampft ihn zum individuellen, fiktiven Melodram ein, das den Bogen von der Vergangenheit zum Heute schlägt.

<P>Frankfurt/Main (rpo). Margarethe von Trottas "Rosenstraße" will einem der wenigen verbürgten Fälle von Zivilcourage im Dritten Reich ein Denkmal setzen. Doch sie dampft ihn zum individuellen, fiktiven Melodram ein, das den Bogen von der Vergangenheit zum Heute schlägt.

Im Februar 1943 wurden tausende von jüdischen Partnern aus geschützten "Mischehen" überraschend in ein Gefängnis in der Berliner Rosenstraße gebracht, um in die Konzentrationslager abtransportiert zu werden. Was genau in der Rosenstraße geschah, wo "arische" Frauen tagelang demonstrierten und sogar die Freilassung ihrer Ehemänner erreichten, ist historisch noch nicht vollständig erhellt.

Die New Yorkerin Hannah reist nach Berlin, um die Hintergründe des seltsamen Verhaltens ihrer Mutter Ruth aufzuklären. Ruth, eine liberale Jüdin, entsinnt sich beim Tode ihres Mannes ihrer tragischen Vergangenheit, betreibt komplizierte Trauerrituale und ist plötzlich gegen die Heirat ihrer Tochter mit einem "Goj", einem Nichtjuden.

In Berlin trifft Hannah die greise Lena, die in Rückblenden von der bösen alten Zeit erzählt: Lena, verheiratet mit einem jüdischen Musiker, gehörte zu jenen protestierenden Frauen in der Rosenstraße und lernte dabei die kleine Ruth kennen, die den Nazi-Häschern entkommen war und deren Mutter ebenfalls hinter den Gefängnismauern verschwand. Lena nimmt sich ihrer an und setzt zugleich alle Hebel in Bewegung, um ihren Mann Fabian frei zu bekommen.

Katja Riemann hat dafür auf dem Filmfestival in Venedig den Preis als beste Darstellerin verliehen bekommen. Als hoch gewachsene blonde Aristokratin, die ihrem Mann zuliebe alle Brücken zu ihren nazigläubigen Eltern abgebrochen hat, ist sie einerseits das perfekte Abbild einer Arierin, andererseits durch ihre Herkunft aber selbstbewusst und couragiert genug, um den Nazis die Stirn zu bieten.

Sie kann diese recht klischeehafte Figur mit Leben und Leidenschaft füllen: Mühsam ihre Verzweiflung bändigend, rennt sie, als "Judenhure" gedemütigt, von Pontius zu Pilatus, stets mit der Contenance einer Adligen auftretend und wohl wissend, dass sie keine Furcht zeigen darf. Aber: So gerne man Riemann zusieht, so fade, geradezu enervierend zäh, ist oft das Drumherum, in dem sich immerhin deutsche Schauspiel- und Bühnenprominenz ein Stelldichein gibt.

Jürgen Vogel als Lenas Bruder und Vertrauter, der als Krüppel von der Front zurückkehrt, bleibt so blass wie Lenas Vater, Abziehbild eines verstockten Nazi-Anhängers; so konturlos wie die immergleiche düsterbraune Straßenkulisse der Babelsberg-Studios ist auch das Mädchen Ruth. Und während die Bühnenschauspielerin Doris Schade als betagte Lena imposante Momente hat, agiert ihre Kollegin Jutta Lampe als alt gewordene Ruth so theatralisch starr, dass man sich zeitweise an eine Schlaganfallpatientin erinnert fühlt.

Überflüssige Rahmenhandlung

Vollends überflüssig erweist sich die aufgepfropfte Rahmenhandlung beim Hin- und Herblenden zwischen einst - wo man gerne länger verweilen würde - und heute, wo Maria Schrader als kühl emanzipierte Hannah nur ihren üblichen Rollentyp übererfüllt. Margarethe von Trottas ungebrochene erstickende Umarmungstaktik gegenüber "starken Frauen", wie sie bereits in "Rosa von Luxemburg" und "Die bleierne Zeit" spürbar war, ist diesmal besonders bedauerlich, wo man hinter den künstlich ausgebleichten Bildern, den geschraubten Dialogen und der schwerfälligen Dramaturgie unendlich viele interessante Details und noch nicht erzählte Geschichten à la "Der Pianist" ahnt.

Drinnen verschwitzte Enge und Angst, draußen verzweifelt rufende Frauen, dazwischen das Wachpersonal, das immer nervöser wird: Die wenigen privaten Streiflichter auf andere Frauen, die erst leise, dann laut "Wir wollen unsere Männer wieder haben" skandieren, wecken allein schon die Neugier - ganz abgesehen von nicht gezeigten Reaktionen zufälliger Passanten -, versanden jedoch meist im platten Melodram.

Nun ist es nicht schlimm, den Zuschauer zum Weinen bringen zu wollen, - wenn man es kann: Gerade der herbeikonstruierte Spannungsgipfel jedoch entpuppt sich als teuer möblierter Groschenroman von peinvoller Banalität. Von Trotta nimmt die Beweggründe der Nazis, die Leute freizulassen, nicht etwa genauer unter die Lupe, um beispielsweise aufzuzeigen, wie viel Widerstand im Alltag doch möglich war. Stattdessen schickt sie die schöne Adelige auf einer Bonzenparty wie ein juwelengeschmücktes Lamm zur Schlachtbank, sprich zum geilen Goebbels. Wie es das Klischee ewig weiblicher Durchsetzungsmethoden eben will. Riemann wirkt dabei überaus bemitleidenswert, doch ein so perfides Märchen ist des Widerstandes dieser Zeit nicht würdig.

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