'Wilbur wants to kill himself' - Morbide Komödie ganz ohne Dogma

Hamburg (rpo). Auch Selbstmord hat seine Tücken: Mit einer Überdosis Tabletten und einem aufgedrehten Gashahn will Wilbur North aus Glasgow dieses Mal auf Nummer sichergehen. Zwecklos. Er versucht es mit einem knietiefen Tümpel, den Pulsadern, dem Strang. Doch jedes Mal kommt ihm etwas in die Quere.

<P>Hamburg (rpo). Auch Selbstmord hat seine Tücken: Mit einer Überdosis Tabletten und einem aufgedrehten Gashahn will Wilbur North aus Glasgow dieses Mal auf Nummer sichergehen. Zwecklos. Er versucht es mit einem knietiefen Tümpel, den Pulsadern, dem Strang. Doch jedes Mal kommt ihm etwas in die Quere.

Mal sein Bruder, der Buch-Antiquar Harbour (Adrian Rawlins), mal dessen scheue Kundin Alice (Shirley Henderson). Wilburs komisches Scheitern bestimmt den neuen Film der dänischen Regisseurin Lone Scherfig über weite Strecken. Seine Todessehnsucht bleibt dabei lange unerklärt. Harbour: "Von unserem Vater hat er das nicht. Der hat beim Frühstück immer gepfiffen."

So muss Wilbur (Jamie Sives), von Beruf übrigens Kindergärtner, weiter sein Leben fristen. Sehr zum Bedauern seiner Gefährten in der "Suizidgruppe", die ihn wegen seiner destruktiven Art bei den Therapiesitzungen ("Wann gibt es Essen?") hassen. Wilburs Situation ändert sich erst, als sein großer Bruder die ängstliche Alice und deren neunjährige Tochter Mary in die gemeinsame Wohnung holt. Kurz darauf erfährt Harbour, dass er Krebs hat.

Mit der Tragikomödie "Wilbur wants to kill himself" lässt Lone Scherfig ("Italienisch für Anfänger") das Dogma-Filmen hinter sich und kehrt zurück zu der - wie sie sagt - "weit schwierigeren, klassischen Filmsprache". Das Drehbuch schrieb sie gemeinsam mit einem anderen großen Dänen, Anders Thomas Jensen, der bereits für die Dogma-Hits "Open Hearts" und "Mifune" in die Tasten griff.

"Es geht um Leben, Tod und Liebe", sagt Scherfig über ihren Film und vergisst dabei ein weiteres wesentliches Thema: Die Familie und ihre im Idealfall heilende Wirkung. Die mädchenhafte Alice weckt Wilburs Fürsorge. Nach und nach wachsen die North-Brüder, Alice und Mary zu einer Familie zusammen. "Wilbur glaubt (anfangs), dass er nicht verdient zu leben", erklärt die Regisseurin. Sein Lebensmut wächst mit seiner Zuneigung zu Alice und der Verantwortung, die er durch Harbours schwere Krankheit erhält.

Und der Zuschauer lacht trotzdem

Trotz des morbiden Humors driftet der Film nicht in den für schwarze Komödien typischen bitteren Ton ab. Selbst Wilburs Nihilismus wirkt eher trotzig als menschenverachtend und böse. Denn die Regisseurin mag ihre Charaktere. "Wenn ihr kleines Universum 'North Books' tatsächlich existieren würde, hätte ich die Zwei mit Sicherheit regelmäßig besucht." Vermutlich hat sie die Rollen daher auch so sorgsam besetzt.

Der Part des depressiven Kindergärtners ist Jamie Sives erste Hauptrolle. Als Wilbur ist er anfangs die Gleichgültigkeit in Person, später lässt er die aufglimmenden Gefühle durch dessen ausdruckslose Mine blitzen. Adrian Rawlins macht den Namen Harbour (englisch für "Hafen") zum Programm: Seine Selbstlosigkeit und Fürsorge trägt fast mütterliche Züge und mag dem ein oder anderen Zuschauer gegen Ende des Films gar auf die Nerven gehen. Shirley Henderson bietet als sanfte Kindfrau Alice einen gelungenen Kontrast zu ihrem jüngsten Auftritt als maulende Myrtle in "Harry Potter und die Kammer des Schreckens".

Ein lebensmüder Kindergärtner, eine allein erziehende Mutter, ein todkranker Buchhändler - dass der Zuschauer trotzdem lacht, liegt an den Dialogen und den vielen kleinen absurden Details, die Lone Scherfig in ihren Film eingearbeitet hat: Wilbur ist vernarrt in den Namen seines dänischen Psychiaters ("Sagen Sie, Doktor, ist 'Horst' das deutsche Wort für 'Wurst'?"). Und seine Nahtoderfahrung beschreibt er so: Ein gleißendes Licht? "Nein. Es war trüb wie Spülwasser. Ein bisschen so, als wäre man in Wales."

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