Fernsehen im Kino: "Mildred Pierce" mit Kate Winslet

Köln Die für unsere Gegenwart wichtigen Romane erscheinen nicht in Buchform, heißt es, sondern als DVD-Boxen. Der Schriftsteller Martin Kluger nannte jüngst die großen amerikanischen Fernsehserien wie "The Wire", die bei uns meist als DVD populär werden, eine "Comédie humaine des 21. Jahrhunderts", und ihre Autoren erhob er in den Rang von Nachfolgern Balzacs: Wie der französische Meister schrieben sie menschliche Komödien für Zeitgenossen. Wer je die berauschende Wirkung von Reihen wie "Mad Men" oder "Boardwalk Empire" spürte, wird dem durchaus zustimmen wollen.

Bei der Cologne Conference, dem internationalen Film- und Fernsehfestival in Köln, feierte nun der neue Serien-Hit aus den USA seine Deutschland-Premiere: "Mildred Pierce". Der Sender HBO produzierte das Werk, Kate Winslet übernahm die Titelrolle, Regie führte Todd Haynes. Die im US-Fernsehen bereits ausgestrahlten und soeben mit zwei Emmys prämierten fünf Folgen von je einer Stunde Länge sind schlichtweg grandios. Haynes erzählt die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die im Los Angeles der 30er Jahre zwei Mädchen ernähren muss. Sie gründet ein Geschäft, kämpft um Anerkennung, aber in der ältesten Tochter erwächst ihr eine Feindin: Das begabte Mädchen hadert mit der einfachen Herkunft.

Die Serie ist glänzend besetzt, neben Winslet spielen Evan Rachel Wood ("The Wrestler") und Oscar-Preisträgerin Melissa Leo ("The Fighter"). Es beginnt heiter, die Bilder wirken wie aus Kinoproduktionen der 70er Jahre entnommen: reduziertes Licht, effektvolle Kostüme und Interieurs – ein Hauch von "Der Pate". Mildred Pierce gelingt scheinbar alles, aber in der Mitte von Folge zwei zieht Haynes das Tempo enorm an: Mildreds jüngste Tochter stirbt, Mildred war nicht da, als man noch hätte helfen können, und nun sind Unglück in ihrem Leben, Schuld und Argwohn.

Dem Drehbuch liegt ein Roman von James M. Cain zugrunde, der auch die Vorlage für den Klassiker "Wenn der Postmann zweimal klingelt" schrieb. Der Stoff wurde bereits 1945 von Michael Curtiz verfilmt, und für ihre Darstellung in "Solange ein Herz schlägt" bekam Joan Crawford damals den Oscar. Das war ein Film Noir, hart und kühl, und Haynes betont nun eher die melodramatische Seite der Erzählung. Fassbinder sei ein Vorbild, sagte er bei der Präsentation im Kino des Filmforums, und tatsächlich liegt der Gedanke an "Die Ehe der Maria Braun" nahe, wenn man Winslet in Räumen spielen sieht, die von der Epoche der Großen Depression verschattet werden.

Haynes kann zeitgemäß erzählen, das hat er in seinen Kino-Produktionen "Dem Himmel so fern" und "I'm Not There" bewiesen. In "Mildred Pierce" kommt zudem sein Gespür für Sozialgeschichte zur Geltung: Es geht um die Leiden der Mittelklasse, um weibliche Identität und den Kampf der Generationen. "Mildred Pierce" beschreibt das Überlebenwollen in Zeiten der Krise. Die "New York Times" jubelte in ihrer Besprechung: "Die Serie ist eine Lehrstunde. Sie zeigt, wie man Vergangenheit benutzt, um Gegenwart zu erklären."

Info "Mildred Pierce" läuft im März im deutschen Bezahlsender TNT Serie. Kurz danach soll die deutsche Synchronfassung auf DVD erscheinen.

(RP)
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