„Und morgen die ganze Welt“ Höhere Tochter im Kampf gegen Rechte

Das deutsche Drama „Und morgen die ganze Welt“ handelt vom Widerstand gegen falsche Ideologien. Julia von Heinz präsentierte ihr diskussionswürdiges Politstück bereits bei den Festspielen in Venedig.

 Mala Emde in der Rolle der Studentin Luisa. Foto: dpa

Mala Emde in der Rolle der Studentin Luisa. Foto: dpa

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Auf ein buntes Oeuvre blickt Julia von Heinz bereits zurück: Die 1976 geborene Filmemacherin drehte Werke wie den Kinderfilm „Hanni & Nanni 2“, die romantische Komödie „Hannas Reise“, die Hape-Kerkeling-Buchadaption „Ich bin dann mal weg“ und einen gelobten „Tatort“. Nun legt sie ein Politdrama vor, wie man es seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hat im deutschen Kino. „Und morgen die ganze Welt“ jedenfalls schreckt vor den großen Fragen rund um die Legitimität von gewalttätigem Widerstand nicht zurück.

Es geht um eine antifaschistische Jugendclique, die es mit Nazis und einer, offensichtlich der AFD nachempfundenen Partei aufnimmt. Als überzeugende Hauptfigur zu sehen ist in diesem Werk Mala Emde. Luisa stammt aus „guten Hause“. Die Eltern besitzen ein Anwesen auf dem Land, man pflegt alte Rituale, so etwa die gemeinschaftliche Jagd. Die Tochter studiert zwar artig Jura, nebenbei aber engagiert sie sich als Antifaschistin, stellt sich gar bei einer Polit-WG vor – von der sie schließlich aufgenommen wird. Nicht nur Kommilitonin und beste Freundin Batte ist mit von der Partie, sondern auch zwei junge Männer namens Alfa und Lenor. Die beiden schrecken auch vor Taten, die über Tortenwürfe ins Gesicht von rechten Politikern hinausgehen, nicht zurück.

Im Bannkreis der beiden jungen Männer beginnt sich die anfänglich skeptische Luisa ebenfalls zu radikalisieren. Immer wieder wird sie nun vor Fragen gestellt, bei deren Lösung ihr das Jurastudium allein kein Wegweiser sein kann. Dass sie sich zusätzlich hingezogen fühlt zu Alfa, der sich immer mehr zum Antifa-Leitwolf entwickelt, macht die Sache für Luisa nicht unkomplizierter.

Julia von Heinz, die das Drehbuch zum Film zusammen mit ihrem Mann John Quester verfasst hat, versteht nicht nur etwas von Timing und nicht allzu gekünstelt klingenden Filmsentenzen. Sie versteht es auch, diese Dialoge am Set durch ihr Ensemble auf authentische Art zur Aufführung bringen zu lassen. Es sind vor allem die Momente, in denen Antifa-interne Rituale präsentiert werden, die diesem Film eine teils fast dokumentarisch anmutende Authentizität verleihen. Sie weiß auch mit kleinsten Details zu beeindrucken. So viel Mühe sich Heinz aber gibt bei der Figurenzeichnung im linken Milieu, so holzschnittartig bleibt ihr Blick auf die Gegner: Die Rechten sind nicht viel mehr als eine amorphe Masse dunkel gewandeter Brüllhälse.

Teils fühlt man sich zudem 16 Jahre in der deutschen Kinohistorie zurückversetzt: Manches in „Und morgen die ganze Welt“ erinnert an „Die fetten Jahre sind vorbei“ von Hans Weingartner. Auch damals ging es drei Mittzwanzigern (gespielt von Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg) darum, irgendwie irgendetwas zu verändern. „Die fetten Jahre“ waren eingeladen in den Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes, was vorher länger keiner deutschsprachigen Produktion gelungen war. „Und morgen die ganze Welt“ hat vor einigen Wochen nicht viel kleiner begonnen: mit einer Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig.

Und morgen die ganze Welt, Deutschland/Frankreich 2020 Regie: Julia von Heinz, mit Mala Emde, Tonio Schneider, Noah Saavedra, 111 Min.

(dpa)
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