Erholung aus der Krise Warum Deutschland wieder Vorbild ist

Düsseldorf (RP). So schnell ändern sich die Zeiten. Vor sechs Monaten stöhnten die Deutschen noch unter der Last der tiefen Rezession, die die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr um fünf Prozent hatte schrumpfen lassen. Der Sommer 2010 lässt die Erinnerung daran bei manchem verblassen. Dieser Tage wird das Wort "Jobwunder" zur Lieblingsvokabel im Wörterbuch von Politikern und Verbandsfunktionären. Deutschland wird weltweit zum Vorbild.

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Foto: AP

Nachdem so mancher Großkonzern dieser Tage glänzende Zahlen geliefert hat, melden sich jetzt auch die kleinen und mittelgroßen Firmen zu Wort. 100.000 Jobs wollen sie schaffen, wie Hans-Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Freitag erklärt hat.

Von den Unternehmen, die bis zu 500 Mitarbeiter beschäftigen, wollen demnach 86 Prozent ihre Belegschaft aufstocken, nur jeder siebte Arbeitgeber spricht von Stellenstreichungen (bei den Großen mit mehr als 1000 Mitarbeitern dagegen immer noch jeder fünfte). Die kleinen und mittleren Unternehmen rechnen mit steigenden Exportzahlen und wollen wieder verstärkt investieren.

Krise schneller vorbei als gedacht

Viele haben die Krise offensichtlich schneller hinter sich gelassen als gedacht. Also macht sich ein Anflug von Euphorie breit. Skeptiker werden zu Recht einwenden, dass ein nicht zu verachtender Teil der neuen Arbeitsplätze in der Zeitarbeitsbranche und durch die Befristung von Arbeitsverhältnissen entsteht.

Und es gibt auch Firmen, die ihren Bedarf an Mitarbeitern vorzugsweise mit Kräften befriedigen, bei deren Bezahlung die Bundesagentur für Arbeit hilft, und die diese Jobs wieder streichen, sobald die Förderung ausläuft.

Aber das sei nicht die Regel, heißt es. "Von den befristeten Jobs wird ein Großteil auf Dauer in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Das hat sich beim letzten Aufschwung gezeigt", sagt WestLB-Volkswirt Arnd Schäfer. Zu Beginn des Hochs sind Unternehmen vorsichtig.

Die Krise hat sie gelehrt, wie schnell sich alles verändern kann, wie stark Auftragsschwankungen sein können. Wer flexibel ist, kann schneller reagieren. "Natürlich verschiebt sich beim Jobaufbau einiges in Richtung Zeitarbeit. Das ist etwas stärker als in früheren Aufschwungphasen", räumt ein DIHK-Sprecher ein. "Aber die Mehrzahl neuer Jobs besteht weiter aus traditionellen Arbeitsverhältnissen."

9,5 Prozent Arbeitslose

Während in Deutschland Jobs entstehen, kommt der Arbeitsmarkt in den USA nicht in Schwung. Die Arbeitslosigkeit lag auch im Juli bei 9,5 Prozent. Rund 14,6 Millionen Menschen suchten einen Job — doppelt so viele wie im Juli 2007, als die Rezession ihren Anfang nahm. Kein Wunder, dass die Amerikaner die Entwicklung auf der anderen Seite des Atlantiks bestaunen.

"Deutschland besiegt die Krise", "eine beeindruckende Erfolgsstory", "Bewunderung für das deutsche Modell" — das sind die Begrifflichkeiten, mit denen die Neue Welt den neuen Aufschwung in der Alten Welt begleitet. Dabei hatten die Amerikaner im vergangenen Jahr nur zwei Prozent Minus bei der Wirtschaftsleistung, und die Arbeitslosigkeit hat sich verdoppelt.

Wir dagegen dürfen darauf hoffen, im Herbst weniger als drei Millionen Jobsuchende zu haben. Musterknabe Deutschland. "Die Entwicklung ist schon erstaunlich", sagt Schäfer, "binnen zehn Jahren sind wir in Europa vom Schlusslicht zur Wachstumslokomotive geworden."

Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten funktionierten

Die Unternehmen hätten ihre Kosten verringert, die Tarifverträge seien flexibler und mit Öffnungsklauseln versehen worden, und die Politik habe dies alles begleitet. Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten hätten viele Unternehmen davor bewahrt, Teilen ihrer Belegschaft kündigen zu müssen.

Jetzt wollen die Kleinen die Jobmaschine starten. Die wird angetrieben vor allem von Export-Branchen: Maschinenbau, Fahrzeugbau, Chemie, Pharma. In diesen Bereichen ist die Auslastung in der Produktion schon fast wieder so hoch wie auf dem Höhepunkt des Aufschwungs vor der Krise. Vorbild Deutschland.

(RP)
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