Nach Insolvenzantrag Das Schachspiel um Niki

Brüssel/Düsseldorf/Berlin · Mit den Insolvenzen von Niki und Air Berlin wird der Luftverkehr in Deutschland und Europa neu geordnet. Verlierer sind die Passagiere - aus Sicht der Kapitalmärkte steht fest, wer der Gewinner ist: die Lufthansa.

 Niki-Jet in Düsseldorf.

Niki-Jet in Düsseldorf.

Foto: Shutterstock/CL-Medien

Am Mittwoch musste die Deutsche Lufthansa einräumen, dass sie die Übernahme des Ferienfliegers Niki wegen Widerstandes der EU aufgeben musste. Waren die Aktionäre des europäischen Marktführers deswegen geschockt? Nein, die Kranich-Aktie stieg sogar leicht an und notierte gestern Abend mit 29,95 Euro nur ein Prozent unter ihrem Allzeithoch vor wenigen Wochen.

"Wir setzen auf weiteres Wachstum in allen unseren Märkten", verkündete Vorstandschef Carsten Spohr. Und sein für den Billigableger Eurowings zuständiger Vorstandskollege Thorsten Dirks sekundierte: "Eurowings ist die am schnellsten wachsende Airline Europas. Wir setzen auf eine weitere Konsolidierung im Markt."

Die beiden Aussagen zeigen, worum es beim Schachspiel rund um Air Berlin und Niki geht. Lufthansa will den Untergang des Hauptwettbewerbers in Deutschland, Air Berlin, nutzen, um das eigene Geschäft stark auszubauen und für höhere Ticketpreise zu sorgen. Gleichzeitig sorgen sich Wettbewerbshüter, Verbraucherschützer und Kunden vor einer zu großen Dominanz des früheren Monopolisten - und der Streit eskalierte nun wegen des geplanten Kaufs von Niki.

Wir beschreiben die Interessen der verschiedenen Akteure:

Die Kranich-Airline versucht schon seit mehr als einem Jahr, sich die seit Jahren kriselnde Air Berlin einzuverleiben. Zuerst wurden knapp 40 der früher rund 130 Jets des Wettbewerbers samt Crews als "Wet-Lease" in den eigenen Betrieb aufgenommen.

Nachdem Air Berlin am 15. August Insolvenz anmeldete, setzten Spohr und Dirks auf den Durchmarsch: Stewards und Piloten für die für Eurowings fliegenden Jets erhalten Jobangebote - sicherheitshalber erwarb Lufthansa auch noch die rund 40 Jets von Leasing-Firmen. Innerhalb von Air Berlin erhielt der Ableger Luftfahrtgesellschaft Walter aus Dortmund viele wichtige Landerechte - das juristisch eigenständige Unternehmen mit eigener Fluglizenz soll mit 30 Flugzeugen und 900 Mitarbeitern zu Eurowings wechseln, während Air Berlin abgewickelt wird.

Bei Niki spielt Lufthansa erst recht ein doppeltes Spiel: Einerseits wurden fast 200 Millionen Euro für den von Niki Lauda gegründeten Ferienflieger geboten - kein Wettbewerber bot einen ähnlich hohen Betrag. Doch dann sicherte sich Lufthansa den Zugriff auf die 21 Leasing-Jets von Niki - also müsste ein alternativer Käufer direkt eine eigene Flotte mitbringen, um die Fluggenehmigung zu halten.

Und als dritten Schritt bereitete Lufthansa sich darauf vor, eventuell Niki doch nicht zu erhalten: Spohr kündigte an, alle Airlines des Lufthansa-Verbundes in ganz Europa würden sich für Startrechte bewerben, falls bisher von Air Berlin oder Niki gehaltene Slots freiwerden. "Wir werden auch ohne Niki so stark wachsen wir geplant", sagt ein Lufthansa-Vorstand, "nur dauert es nun wohl etwas langsamer."

EU und Bundesregierung verfolgen völlig verschiedene Interessen. Die am Ende entscheidende EU will eine zu hohe Marktmacht der Lufthansa verhindern - darum der Einwand gegen den Niki-Kauf und wohl auch weitere Auflagen. Berlin spendierte dagegen im August einen Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro für Air Berlin, um einen Zusammenbruch in der Ferienzeit zu verhindern, gleichzeitig aber auch Lufthansa zu helfen: Besser der deutsche Marktführer übernimmt große Teile von Air Berlin, als dass ausländische Billigflieger wie Ryanair sich die Flugrechte sichern - so lautete die Logik.

Jetzt, wo der Bund nur einen Teil seiner 150 Millionen Euro für Air Berlin zurückerhalten wird, hat die Opposition nur Hohn und Spott über: "Geblendet von dem Wunsch nach einem nationalen Champion haben Merkel, Dobrindt und Zypries alle Wettbewerbsbedenken in den Wind geschlagen", sagte die Grünen-Politikerin Katharina Dröge. "Das war Zockerei und eine Bruchlandung mit Ansage."

Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel forderte den Staat auf, alle Chancen zu nutzen, um den Kredit zurückzuerhalten. "Trotz Niki-Insolvenz darf Berlin diese 150 Millionen Euro Staatshilfen jetzt nicht einfach abschreiben. Für die Steuerzahler ist das kein Pappenstiel", sagte der Chef des Bundes der Steuerzahler.

Er forderte die Einführung einer Versicherungspflicht für Auslandsflüge, die Passagiere bei den Airlines buchen: "Es wäre sinnvoll, über Notfallpläne und neue Regeln für passagierintensive Verkehrssektoren zu diskutieren, wenn kurzfristig etwas schiefgeht - dann könnten im Krisenfall politischer Aktionismus und unnötig teures Chaos vermieden werden."

Jetzt wo Niki nicht mehr fliegt, ist die Politik froh, dass andere Airlines helfen: Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) sagte: "Wir bedauern die Insolvenz von Niki außerordentlich. Es hat nun oberste Priorität, die gestrandeten Passagiere schnell und reibungslos von ihren Urlaubs- und Reisezielen zurück nach Hause und zu ihren Familien zu bringen."

Die große Frage ist, ob ein seriöser Konkurrent sich nun doch Niki greift - das würde dem Wettbewerb helfen. Der Gründer Niki Lauda bekundete gestern erneut sein Interesse an einem Rückkauf - aber er braucht dafür einen finanzstarken Partner, am besten Thomas Cook und dessen Ableger Condor. Auch der Unternehmer Rudolf Wöhrl könnte mitmischen, aber er hat bisher zwar viele Interviews gegeben, aber kein durchfinanziertes Angebot vorgelegt. Die Lufthansa gab sich bisher nur amüsiert über Wöhrl.

(rky/may/mar)
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