Kritik an deutscher Exportstärke

Hamburg/Köln (dapd) Deutschland hängt beim Handelsüberschuss offenbar alle anderen Länder ab. Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts werden die Exporte die Importe 2012 um 210 Milliarden Dollar (170 Milliarden Euro) übertreffen, wie die "Financial Times Deutschland" (FTD) berichtete.

Deutschland droht wegen seiner Exportstärke Ärger aus Brüssel. Denn die EU fordert von ihren Mitgliedsstaaten, das Verhältnis von Export zu Import nicht zu groß werden zu lassen. Handelsbilanzüberschüsse, die sechs oder mehr Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachten, stellten eine Gefahr für die wirtschaftliche Stabilität des Kontinents dar, heißt es. Deutschland werde diesen Wert in diesem Jahr deutlich übertreffen. 2013 könnte die EU daher ein Mahnverfahren gegen Deutschland einleiten. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, es gebe keinen neuen Stand. An Spekulationen über mögliche Konsequenzen für Länder mit künftigen makroökonomischen Ungleichgewichten beteilige sich die Kommission nicht.

Einige Ökonomen sehen extreme Handelsüberschüsse mit als Grund für Wirtschaftskrisen. Denn wenn ein Land mehr exportiert als importiert, muss ein anderes mehr importieren und sich so verschulden. Der Chefvolkswirt der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung UNCTAD, Heiner Flassbeck, kritisierte Deutschland: "Besonders tragisch ist, dass Berlin das noch immer als Erfolg feiert – dabei ist höchst ungewiss, ob das Ausland seine Schulden überhaupt zurückzahlen kann." Flassbeck fügte hinzu: "Deutschland schießt sich mit seinem Geschäftsmodell ins eigene Bein." Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, sagte der Zeitung: "Das grundlegende Problem hat sich nicht geändert: Die deutsche Binnennachfrage ist viel zu schwach."

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, kann die Kritik nicht nachvollziehen. Gerade für eine alternde Gesellschaft sei ein hoher Leistungsbilanzüberschuss wichtig. Deutschland spare Geld an, das künftigen Rentnern nütze. Außerdem spreche der starke Export für das krisenfeste Angebot der deutschen Unternehmen und die Qualität der Produkte. Die Zuwächse erzielten die Unternehmen zudem vielmehr in Ostasien und den USA.

(RP)
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