Ölkonzern Aramco Größter Börsengang der Geschichte soll Saudi-Arabien verändern

Riad · Saudi-Arabien baut die Wirtschaft um. Dazu soll der staatliche Öl-Gigant an die Börse gehen. Doch bei der Bewertung gehen die Meinungen auseinander.

Jasir al-Rumian, Vorstandsvorsitzender des  Ölkonzerns Saudi Aramco, spricht auf einer Pressekonferenz.

Jasir al-Rumian, Vorstandsvorsitzender des Ölkonzerns Saudi Aramco, spricht auf einer Pressekonferenz.

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Saudi-Arabien peilt mit dem weltweit führenden Ölkonzern Aramco den größten Börsengang aller Zeiten an. Nach mehrfacher Verzögerung erhielt der Staatskonzern am Sonntag die Genehmigung für den seit etwa drei Jahren angestrebten Gang aufs Parkett. Mit der Zustimmung durch die Finanzmarktbehörde CMA des Königreichs kann ein Teil der Aktien künftig an der saudi-arabischen Wertpapierbörse Tadawul gehandelt werden.

Ein konkreter Zeitplan für den Börsengang wurde nicht genannt, und auch das Emissionsvolumen ist bisher offen. Mit den erhofften Milliarden-Einnahmen will Saudi-Arabien den Umbau seiner Wirtschaft forcieren und unabhängiger vom Öl- und Gasgeschäft werden.

Erwartet wird einer der größten Börsengänge aller Zeiten. Saudi Aramco ist die weltgrößte Erdölfördergesellschaft und gilt als einer der profitabelsten Konzerne überhaupt. Die Pläne für einen Gang an die Börse wurden in den vergangenen Jahren mehrfach gestoppt beziehungsweise verschoben.

Die Schätzungen über den Umfang des Börsengangs gehen weit auseinander – aber Aramco könnte eines der wertvollsten Börsenunternehmen der Welt werden. Kronprinz Mohammed bin Salman, der faktische Herrscher des Königreichs, hatte auf eine Bewertung des Unternehmens von mehr als zwei Billion Dollar gehofft. Analysten gehen dagegen von höchstens 1,5 Billion Dollar aus. Hintergrund sei, dass sich einige Investoren vor allem aus Europa und den USA im Zuge der wachsenden Klimaschutzbewegung und der erstarkenden Erneuerbaren Energien aus dem Öl- und Gas-Sektor zurückzögen.

Schon ein Verkauf von einem Prozent der Aktien bei niedriger Bewertung könnte Aramco 15 Milliarden Dollar einbringen, ein Verkauf von zwei Prozent bei einer höheren Bewertung dagegen bereits 40 Milliarden. Damit würde Aramco den Rekord für den größten Börsengang brechen, den seit 2014 die Handelsplattform Alibaba mit Einnahmen von 25 Milliarden Dollar hält.

Ein Zeitplan für die weiteren Schritte des Börsengangs wurde am Sonntag nicht genannt. Zuletzt hatte der von Saudi-Arabien finanzierte Nachrichtenkanal Al-Arabija unter Berufung auf Insider berichtet, dass der erste Handelstag an der Tadawul-Börse der 11. Dezember sein solle. Dem Sender zufolge soll der Börsenprospekt am 10. November veröffentlicht werden.

Der Börsengang des Ölgiganten ist Teil von Bin Salmans großangelegtem Umbau der saudischen Wirtschaft. Der „Vision 2030“ genannte Plan verfolgt das Ziel, das Land unabhängiger vom Öl zu machen. Die Einnahmen aus dem Börsengang sollen in neue Wirtschaftszweige investiert werden.

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Aramco einen Gewinn von 111,1 Milliarden Dollar. Die großen Ölkonzerne – Chevron und ExxonMobil aus den USA, BP aus Großbritannien, das britisch-niederländische Unternehmen Royal Dutch Shell und Total aus Frankreich – kamen 2018 zusammen auf einen Gewinn von rund 80 Milliarden Dollar. Selbst Apple, das jahrelang als das profitabelste Unternehmen der Welt galt, verdiente mit knapp 60 Milliarden Dollar deutlich weniger.

Im ersten Halbjahr 2019 lag der Aramco-Nettogewinn bei 46,9 Milliarden Dollar, was etwa zwölf Prozent weniger war innerhalb eines Jahres – unter anderem wegen gesunkener Ölpreise. Dennoch gilt Saudi Aramco weiterhin als das profitabelste Unternehmen der Welt.

Die Ölindustrie Saudi-Arabiens war im September von Drohnenangriffen getroffen worden. Dabei wurde auch die größte Ölraffinerie des Landes getroffen, die Produktionsmenge sank auf etwa die Hälfte des üblichen Volumens. Nach Opec-Angaben brach die Produktion von rund 9,8 Millionen Barrel (159 Liter) um etwa 5,7 Millionen Barrel pro Tag ein. Die Ölpreise stiegen daraufhin so sprunghaft wie seit Jahrzehnten nicht.

Das Ölangebot erreichte nach Angaben aus Riad bald aber wieder das Niveau von vor den Angriffen, die Pläne für den Börsengang waren Aramco zufolge nicht beeinträchtigt. Zu den Angriffen hatten sich die schiitischen Huthi-Rebellen aus dem benachbarten Jemen bekannt. US-Außenminister Mike Pompeo machte den Iran direkt für die Attacken verantwortlich.

Aramco wolle im weltweiten Energiemarkt eine herausragende Stellung einnehmen, erklärte Geschäftsführer Amin Nasser in einer Mitteilung. „In den vergangenen drei Jahren waren wir für jedes achte Barrel des weltweit produzierten Rohöls verantwortlich“, sagte Nasser. „Unsere nachgewiesenen Vorkommen waren Ende 2018 fünfmal größer als die der fünf großen internationalen Ölkonzerne (IOC)“. Als die fünf größten dieser sogenannten „Supermajors“ gelten ExxonMobil, Shell, BP, Chevron und Total.

Am Anleihemarkt ist der Ölkonzern bereits aktiv, die Nachfrage nach ersten Saudi-Aramco-Anleihen im Frühjahr war groß. Auch damit wollen sich das Unternehmen und das gesamte Königreich stärker gegenüber den Weltmärkten öffnen. Das Königreich war nach dem Mord an dem kritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul schwer in die Kritik geraten.

(dpa)
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