Merkel erwägt staatliche Finanzspritze EZB stützt Banken erneut mit Milliardenhilfe

Berlin (RPO). Die EZB greift den Banken in der Schuldenkrise mit neuen Milliardenhilfen unter die Arme und denkt laut über eine Zinswende nach. Wie EZB-Chef Jean-Claude Trichet am Donnerstag nach seiner letzten großen Ratssitzung in Berlin mitteilte, legt die Zentralbank ein 40 Milliarden Euro schweres Ankaufprogramm für Pfandbriefe und andere gedeckte Anleihen auf.

Stresstest 2011: So schnitten die deutschen Banken im Juli ab
Infos

Stresstest 2011: So schnitten die deutschen Banken im Juli ab

Infos
Foto: dpa

Zudem können die Banken sich über neue langfristige Kreditlinien bei der EZB mit Liquidität versorgen, da der Geldmarkt zuletzt angespannt war. Beide Instrumente haben sich bereits in der Finanzkrise bewährt. Der Zinssatz bleibt vorerst bei 1,5 Prozent.

Trichet betonte, es sei auch "ausgiebig über das Für und Wider" einer Kappung diskutiert worden. Damit ließ er die Tür offen für eine Zinssenkung unter seinem Nachfolger Mario Draghi, der Trichet Anfang November ablöst. Die Märkte zeigten sich jedoch enttäuscht von den Konjunkturimpulsen der Zentralbank: Der Euro gab zeitweise auf 1,3304 Dollar nach.

Kanzlerin: Mehr Kapital für europäische Banken

Bundeskanzlerin Angela Merkel erwägt staatliche Finanzsspritzen für Banken in naher Zukunft. Sie nehme den Hinweis von Fachleuten, dass die europäischen Banken nicht ausreichend mit Kapital ausgestattet seien, sehr ernst, sagte die CDU-Chefin am Donnerstag nach einem Treffen mit der Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, Weltbank-Präsident Robert Zoellick und Trichet, im Kanzleramt.

"Ich glaube, wenn die Notwendigkeit dafür besteht, dann ist es vernünftig investiertes Geld und dann sollten wir nicht zögern", sagte die Regierungschefin. Sonst seien die Schäden, die auftreten könnten, um Größenordnungen höher. "Der erste Weg muss natürlich sowieso sein, dass die Banken versuchen, selber Kapital am Markt zu bekommen", fügte Merkel hinzu.

Konjunktur in schwerem Fahrwasser

Die EZB hatte dieses Jahr zwei Mal die Geldpolitik gestrafft, um der anziehenden Inflation Paroli zu bieten. Nachdem die Teuerungsrate zuletzt auf 3,0 Prozent zulegte, wird sie laut Trichet nach einigen Monaten wieder abebben und unter die Inflationsmarke der EZB von knapp 2,0 Prozent fallen. Eine Zinswende kommt nach Meinung von Ökonom Holger Schmieding von der Berenberg Bank daher in den nächsten Monaten in Sicht. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", meint auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer, der mit einer Zinssenkung gegen Jahresende rechnet.

Die EZB sieht die Konjunktur der Euro-Zone im Sog der Staatsschuldenkrise in schwerem Fahrwasser: "Der Ausblick für die Wirtschaft bleibt vor allem von großer Ungewissheit und stärkeren Abwärtsrisiken geprägt." Zugleich werde das reale Wachstum nur "sehr moderat ausfallen", betonte Trichet.

Auch die Bank of England stützt die maue Wirtschaft massiv: Sie wirft die Notenpresse kräftig an und pumpt zusätzliche 75 Milliarden Pfund in den Finanzkreislauf. Damit soll ein Absturz der britischen Wirtschaft abgewendet werden, die zuletzt kaum noch wuchs. Die britische Zentralbank beließ den Schlüsselzins auf dem historisch tiefen Niveau von 0,5 Prozent.

Wegen der akuten Vertrauenskrise am Geldmarkt greift die EZB auf altbewährte Maßnahmen zurück und legt zwei langfristige Refinanzierungsgeschäfte auf: eines mit einer Laufzeit von zwölf Monaten im Oktober und ein weiteres über 13 Monate im Dezember. Die Banken sollten dabei so viel Geld bekommen, wie sie benötigen, und Planungssicherheit in Zeiten der Krise erhalten.

Der sogenannte 12-Monatstender hat sich bereits in der Finanzkrise als Hilfe bewährt, da sich die Banken wegen des grassierenden Misstrauens untereinander kaum noch Geld liehen. Im Sog der Staatsschuldenkrise hakt es am Geldmarkt erneut: Insbesondere Finanzinstitute aus den schuldenbeladenen Randstaaten der Euro-Zone wie Griechenland, Irland und Portugal sind weitgehend auf den Gang zur Tränke der EZB angewiesen, da andere Banken ihnen kaum mehr Geld leihen wollen. Denn kaum jemand weiß, welche Risiken in den Bilanzen der Banken schlummern, die viele Staatsanleihen von Risikostaaten wie Griechenland in ihren Büchern haben. In der Finanzkrise legte die Notenbank insgesamt drei Zwölf-Monatstender auf: Beim ersten besorgten sich mehr als 1000 Banken aus der gesamten Euro-Zone die Riesen-Summe von 442 Milliarden Euro.

Mit einer Neuauflage ihres Pfandbriefankaufprogramms kommt eine weiteres Instrument zum Einsatz, mit dem die Notenbank gute Erfahrungen gemacht hat. Zwischen Juni 2009 und Juni 2010 kaufte die EZB solche Papiere im Volumen von 60 Milliarden Euro und belebte damit den Markt. Das neue, etwas schmaler dimensionierte Programm startet im November und soll Ende Oktober 2012 auslaufen.

Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) begrüßte das Programm. "Diese Maßnahme wird vor allem denjenigen Banken helfen, die in den letzten Monaten die größten Hürden am Kapitalmarkt zu überwinden hatten, nämlich die Banken aus den Peripheriestaaten", sagte vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt.

Der Ankauf dieser als sehr sicher geltenden Papiere steht im Kontrast zum umstrittenen Erwerb von Staatstiteln der Euro-Schuldenländer. Wie lange diese auch von der deutschen Notenbank heftig kritisierten Käufe in der Grauzone zwischen Geld- und Fiskalpolitik noch weitergehen sollen, ließ Trichet offen. Das Programm sei aber "temporär" angelegt, betonte der EZB-Chef, der nach acht Jahren aus dem Amt scheidet.

Auf der nächsten regulären Zinssitzung in Frankfurt im November wird dann bereits der neue Präsident Draghi im EZB-Rat das Zepter schwingen.

(RTR/dapd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort