Sparziele verfehlt Griechenland macht seine Retter ratlos

Athen/Luxemburg (RPO). Die Hiobsbotschaften aus Athen nehmen kein Ende. Griechenland hat abermals seine Sparziele verfehlt. Dennoch darf es auf weitere Milliarden der Euro-Partner hoffen. Die beraten an diesem Montag in Luxemburg. Der deutsche Finanzminister Schäuble will erst den Bericht der Troika abwarten. Sein griechischer Amtskollege Venizelos sieht sein Land in der Rolle des Sündenbocks.

 Vor dem Parlament in Athen kam es am Montag erneut zu Protesten gegen den Sparkurs der Regierung.

Vor dem Parlament in Athen kam es am Montag erneut zu Protesten gegen den Sparkurs der Regierung.

Foto: ANA-MPA, dpa

Griechenland kann trotz Verfehlung seiner Defizit-Ziele auf die nächsten acht Milliarden Euro Notkredite hoffen. "Wir warten den Bericht der Troika ab und werden dann die notwendigen Entscheidungen treffen", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag bei einem Eurogruppen-Treffen in Luxemburg. Die Troika werde auf Grundlage der neuen Zahlen aus Athen dann Empfehlungen für das weitere Vorgehen geben. Für den 13. Oktober ist eine Sondersitzung der Eurogruppe anberaumt.

Sein belgischer Kollege Didier Reynders forderte ein grünes Licht für die nächste Kredittranche "noch heute oder in den kommenden Tagen". Die Anstrengungen Athens müssten bestätigt werden. "Mit jedem Tag, der verstreicht, gibt man ein negatives Signal an die Märkte und verliert Zeit und Geld."

Die Regierung in Athen hatte am Morgen verkündet, die Neuverschuldung werde 2012 statt auf 6,5 nur auf 6,8 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt werden können. In diesem Jahr wurde das Ziel von 7,8 auf 8,5 Prozent hochgeschraubt. "Griechenland ist nicht der Sündenbock der Eurozone", kämpfte Finanzminister Evangelos Venizelos in Luxemburg um Unterstützung. "Wir haben das Potenzial und die Kraft, trotz der Rezession vorwärtszukommen."

Unterdessen durchkämmten die Prüfer von EU, EZB und IWF Kreisen zufolge noch die Athener Finanzen. Am Mittwoch sollen sie sich an ihren Abschlussbericht setzen. Von ihrem Urteil hängt ab, ob Griechenland die nächsten acht Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket bekommt. Die ursprünglich für Ende September anvisierte Auszahlung soll sich jetzt auf Ende Oktober verschieben.

"Griechenland ein stolzes Land"

Vor dem Auftakt eines Treffens der Euro-Finanzminister am Montag in Luxemburg zeigte sich EU-Währungskommissar Olli Rehn ratlos. "Es scheint, dass Griechenland das Ziel wahrscheinlich verfehlen wird", sagte er.

Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos forderte dennoch Respekt für sein Land. "Griechenland ist ein Land mit strukturellen Defiziten", sagte Venizelos am Montag mit Blick auf die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme seines Landes. "Aber Griechenland ist nicht der Sündenbock der Eurozone. Griechenland ist ein stolzes Land."

Griechenland habe trotz des Schrumpfens seiner Wirtschaft in drei Jahren hintereinander "das Potential und die Fähigkeit voranzukommen", sagte Venizelos. "Griechenland hat alle notwendigen und schweren Maßnahmen entschieden, um seine Verpflichtungen gegenüber den internationalen Partnern zu erfüllen."

Die Märkte zweifeln

Der Haushaltsentwurf für 2012 sei "sehr ambitioniert", fügte der Grieche hinzu. Für das Jahr 2012 rechnet Athen laut einem am Sonntagabend vom Kabinett verabschiedeten Haushaltsentwurf nun mit einem Defizit von 6,8 Prozent. Bisher hatte die Regierung für das kommende Jahr 6,5 Prozent angepeilt. Im vergangenen Jahr hatte Griechenland noch ein Defizit von 10,5 Prozent. In diesem Jahr rechnet die Regierung in Athen mit einem Haushaltsdefizit von 8,5 Prozent des BIP statt der angestrebten 7,4 Prozent.

Doch die Märkte zweifeln: Der Euro gab nach den neuen Zahlen aus Athen mehr als zwei Cent an Wert zum Dollar ab. Die Gemeinschaftswährung notierte am Montagnachmittag erstmals seit Mitte Januar wieder unter 1,33 Dollar. Weltweit reagierten die Aktienmärkte mit zum Teil kräftigen Verlusten.

Das Zittern geht weiter

Das macht die Zwickmühle deutlich, in der die Eurozone steckt: Erhält Griechenland wegen des Bruchs der Kreditbedingungen kein frisches Geld, schlittert das Land noch in diesem Monat in den Bankrott. Weil der verstärkte Rettungsfonds, der die Folgen auffangen könnte, aber noch nicht von allen Parlamenten in der Währungsunion ratifiziert ist, könnte die griechische Pleite auch Länder wie Italien oder Spanien in die Schuldenfalle treiben.

Die Zeichen stehen auf Rezession

Die Lage ist verfahren. Weil sich im August abzeichnete, dass die Hellenen wegen der einbrechenden Wirtschaft die Bedingungen für die Hilfsmilliarden nicht erfüllten, war die Troika Anfang September abgereist. In der Zwischenzeit besserte die Regierung von Ministerpräsident Giorgios Papandreou zwar nach. Doch auch eine neue Vermögenssteuer, Rentenkürzungen und der Personalabbau im öffentlichen Dienst reichen offenkundig nicht. Venizelos' Haushaltsentwurf zufolge bleibt die Wirtschaft im kommenden Jahr in der Rezession, die Gesamtverschuldung dürfte auf 172,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anwachsen. Der Schuldenberg wächst auf 371,9 Milliarden Euro an.

Auch in der Eurozone stehen die Zeichen auf Rezession: Der wichtige Einkaufsmanagerindex (PMI) des Datendienstleisters Markit sank im September auf 48,5 Punkte - alle Werte unter 50 sprechen für ein Schrumpfen der Wirtschaft. Einzig in Deutschland erreicht der Indikator noch einen Wert von 50,3 - auch hierzulande dürfte Wachstum also fast zum Stillstand kommen. Etwas erfreulichere Wirtschaftsdaten kamen dagegen aus den USA, wo sowohl die Einkäufe der Industrie als auch die Bauausgaben überraschend zunahmen.

(apd/RTR/AFP)
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