Interview mit DLV-Präsident Prof. Helmut Digel "Spaltung ist nicht aufzuheben"

Frage: "Vor einem Jahr wurden die positiven Dopingproben von Dieter Baumann bekannt. Der Fall hat Wissenschaftler, Juristen, Funktionäre und Journalisten in zwei Lager gespalten. Wie sehen Sie das Befinden der Sportnation inzwischen?"

Frage: "Vor einem Jahr wurden die positiven Dopingproben von Dieter Baumann bekannt. Der Fall hat Wissenschaftler, Juristen, Funktionäre und Journalisten in zwei Lager gespalten. Wie sehen Sie das Befinden der Sportnation inzwischen?"

Prof. Helmut Digel: "Die Spaltung ist nicht aufzuheben, weil die Frage nach Schuld oder Unschuld nicht zu beantworten ist. Die Situation seit der Bekanntgabe der positiven Dopingproben durch Prof. Schänzer bleibt unverändert: Dieter Baumann kommt als Opfer oder Täter in Frage."

Frage: "Dieter Baumann war ein Aushängeschild im Anti-Doping-Kampf. Welche Auswirkungen haben seine Positiv-Proben und seine Sperre bis heute auf die Glaubwürdigkeit der Leichtathletik und des deutschen Sport insgesamt?"

Digel: "Ich hoffe keine nachhaltig negativen. Dass in der Öffentlichkeit negativ über den Fall diskutiert wurde, war nicht zu verhindern. Das führt vorübergehend immer zu einem Imageschaden."

Frage: "Hat sich der Anti-Doping-Kampf durch den Fall Baumann anders entwickelt?"

Digel: "Es hat sich nichts an der Auffassung der Handelnden geändert, dass der Kampf konsequent weitergeführt werden muss. Eine ganze Reihe von Details aus dem Fall Baumann hat zu Verbesserungen geführt. Zum Beispiel hat die Anti-Doping-Kommission bei den Labors interveniert. Es ist auch deutlich geworden, dass wir dringend die noch zu gründende nationale Anti-Doping-Agentur brauchen. Nur ein professionelles Schiedsgericht ist derartigen Fällen gewachsen."

Frage: "Ist die deutsche Situation in internationalen Gremien durch die konträre Diskussion im Fall Baumann schwieriger geworden?"

Digel: "Das ist nach meiner Beobachtung nicht der Fall. Die Positionen von Clemens Prokop in der Anti-Doping-Kommission des Weltverbandes und meine im IAAF-Council sind juristisch abgesprochen. Wir sind in beiden Gremien als Experten sehr gefragt - wie schon in der Vergangenheit. Sicher hätte im Weltverband mancher gerne gesehen, wenn der DLV im Fall Baumann klein beigegeben hätten, aber auf der anderen Seite sind mündige Verbände gefragt."

Frage: "Dieter Baumann moniert mangelnde Fürsorgepflicht des Verbandes, Athleten wie ihn zu schützen. Ist seine Kritik berechtigt?"

Digel: "Nicht nur auf den Fall Baumann bezogen müssen wir uns fragen, wie ein Athlet bis zur Entscheidung des Rechtsausschusses durch den Verband betreut werden kann. Zunächst handelt es sich um Verdächtigungen, aber bei uns wird eine Suspendierung schon wie eine Entscheidung über ein Verbrechen behandelt."

Frage: "Hat der Fall Baumann Ihre Entscheidung beeinflusst, sich im kommenden März nicht mehr als DLV-Präsident zur Wahl zu stellen?"

Digel: "Im Gegenteil. Gerade wegen des Falles Baumann war meine Einstellung: So kann ich nicht aufhören. Deshalb richtete ich an mein Präsidium den Wunsch, für eine Übergangszeit von zwei Jahren weiterzumachen. Diesem Wunsch wurde leider nicht entsprochen, und eine weitere vierjährige Amtszeit wäre aufgrund meiner beruflichen Situation nicht möglich gewesen."

(RPO Archiv)
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