Borussia-Banner vor Ghana-Spiel entfernt Gladbach-Fan: "Fifa will uns die Lust am Spiel nehmen"

Fortaleza/Düsseldorf · Ordner haben einige deutsche Anhänger aufgefordert, ihre Fahnen zu entfernen. Davon betroffen war auch Henning Gilleßen. Er spricht von aggressiver Stimmung. Der Weltverband hat sich mittlerweile entschuldigt.

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Henning Gilleßen ist noch immer schockiert. Er war im Stadion von Fortaleza beim zweiten WM-Spiel des deutschen Teams gegen Ghana. Wie immer hatte er seine Zaunfahne mitgebracht. "Selfkant" steht darauf, daneben die Raute von Borussia Mönchengladbach. Zaunfahnen gehören in Deutschland zur Fan-Kultur. Bei der Weltmeisterschaft passen sie indes offenbar nicht in die geglättete Welt der Fifa. In der 15. Minute tauchten Offizielle des Weltverbands auf und ordneten an, die Fahne abzunehmen. So genannte Stewards nahmen sich der Sache sehr gewissenhaft an. Dabei kam es durch die Fahnen zu keinerlei Sichtbehinderung, und auch kein Sponsorenlogo wurde verdeckt. Das Bild von der Aktion machte in den sozialen Netzwerken rasend schnell die Runde während sich das DFB-Team zum 2:2 quälte.

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Foto: dpa, hak

"Alle Fahnen wurden grundlos selbst im Oberrang abgerissen. Einige wurden sogar einkassiert. An meiner Fahne sind zwei Schnüre abgerissen", berichtet Gilleßen am Sonntag im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist mit seiner Frau und seiner fünfjährigen Tochter in Brasilien. Der 38-Jährige schaut sich die Deutschland-Spiele an. Im Publikum regte sich lautstarker Unmut über die Aktion der Ordner. Buhrufe, Pfiffe, ein paar Rangeleien, Bierbecher flogen durch die Gegend. Der Protest zeigte nur bedingt Wirkung. Vereinzelt hingen später wieder Banner.

Schon im ersten Gruppenspiel gegen Portugal waren die Fahnen der deutschen Fans — neben der von Gilleßens Fan Club war unter anderem die Gladbach-Fahne "Pinkis on Tour" zu sehen — den Fifa-Verantwortlichen ein Dorn im Auge. "Da haben die Ordner aber alles hängenlassen, weil sie wussten, dass die Lage sonst wohl eskaliert wäre", sagt Gilleßen. Beim Ghana-Spiel griffen die Fifa-Leute durch. "Die Ordner im Stadion waren unfreundlich und aggressiv, das habe ich so noch nirgendwo erlebt. Die Fifa zerstört das letzte bisschen Fan-Kultur", sagt Gilleßen. Er lässt sich aber nicht beirren: "Ich nehme meine Zaunfahne auch zum USA-Spiel mit." Für WM-erfahrene Fans ist es keine neue Erkenntnis, dass "die Fifa uns Kindern der Kurve die Lust am Spiel nehmen will", wie Carsten Jüttner aus Rheine sagt. "Schon vor vier Jahren in Südafrika gab es Stress mit den Zaunfahnen. Wir sind halt teilweise nur noch geduldet", sagt Jüttner.

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Foto: Screenshot Twitter

Plakate gegen die USA wieder erlaubt

Gut möglich, dass die Fans künftig wieder freundlicher behandelt werden. Die Fifa hat jedenfalls nach dem für sie unschmeichelhaften Echo in den sozialen Netzwerken flugs den Vorfall bedauert und sich für die Aktion entschuldigt. Keineswegs hätte es eine offizielle Anordnung des Weltverbands gegeben. Es habe sich um eine "Fehlinterpretation" der Ordner gehandelt. Man sei davon ausgegangen, dass die Transparente die zulässige Größe überschritten hätten. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Im nächsten Spiel gegen die USA dürften die Plakate selbstverständlich wieder aufgehängt werden.

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Die Fifa hat aus der WM ein Hochglanzprodukt gemacht. Es geht um ein Milliardengeschäft. Dementsprechend dünnhäutig reagiert die Organisation, wenn sich jemand nicht an das minuziös geplante Protokoll hält. In der Bannmeile rund um die WM-Stadien dürfen ausschließlich die Sponsoren Kasse machen, die sich eingekauft haben. Kleine Händler müssen draußen bleiben. Straßenhändler erhalten keine Lizenz. So kann es passieren, dass man als Fußball-Tourist mit der heimischen Kultur überhaupt nicht in Kontakt kommt.

Das haben vor einigen Tagen auch die unmittelbar Beteiligten mitbekommen: Die Fifa untersagte den Spielern, die bei ihnen beliebten Kopfhörer aus dem Hause "Beats" zu tragen. Weil Konkurrent Sony die WM sponsert, erlaubt die Fifa keine Produkte des Konkurrenten in den Stadien. Das Unternehmen von Rapper Dr. Dre. versorgt seit Jahren Top-Sportler unentgeltlich mit Kopfhörern. Daraus entwickelte sich ein Markenkult, den Sony naturgemäß aus seiner Sicht ganz und gar nicht gut heißt. Vor dem Turnier ist dieser mögliche Konflikt niemandem aufgefallen, weshalb es keine Anweisung an die Teams gab. Das wollte der Verband nun im laufenden Turnier nachholen. Doch dagegen hat sich Widerstand geregt - die Spieler haben ihre Kopfhörer aufbehalten. Wohl die beste Taktik gegen die Fifa.

(RP)
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