Der Kaiser im Bewerbungs-Stress Mehrfach um die ganze Welt

Rotterdam/Zürich (sid). Auch in der letzten Woche hat Franz Beckenbauer seinen Ruf als "Reise-Kaiser" für die deutsche WM-Bewerbung 2006 untermauert: Am Montag noch ist Franz Beckenbauer in Wien gewesen. Abends hatte er einen Termin in Paris. Doch die französischen Fluglotsen streikten. Beckenbauer konnte mit einer kleinen Privatmaschine nur bis Charleroi in Belgien, nahe der Grenze kommen. Mit dem Auto nach Frankreichs Metropole, wo der "Kaiser" um zehn Uhr abends eintraf. Meeting bis 1.00 Uhr in der Nacht; Aufstehen um 7.00 Uhr.

Aufbruch nach Rotterdam, ins Hotel der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Händeschütteln, Small Talk. Abends ein Dinner mit ISL, dem Vermarkter der Europameisterschaft. Noch in der Nacht Weiterfahrt nach Brüssel. Halbfinale Frankreich - Portugal. Das zweite Halbfinale zwischen Holland und Italien in Amsterdam schenkt Beckenbauer sich, fährt schon nach Luxemburg weiter, um die Bewerbung-Präsentation zur Ausrichtung der WM 2006 vor dem Uefa-Kongress in Luxemburg vorzubereiten. Ist zwar ein Heimspiel, und Beckenbauer wird die Präsentation erstmals auf deutsch halten, doch Beckenbauer liebt die Perfektion - und dazu gehört eine gründliche Vorbereitung.

Rückkehr nach Rotterdam; das Endspiel. Am Montag dann nach Zürich. Der Countdown beginnt.

Die letzte Woche war zwar intensiv für den Präsidenten des deutschen WM-Bewerbungskomitees, aber die Reisen entsprachen eher Kurzstrecken. Seit Januar haben alle sechs Konföderationen der Fifa ihre Kongresse abgehalten, und Beckenbauer hat sie alle besucht, um für Deutschland als Ausrichter zu werben. Accra in Ghana, Asuncion in Paraguay, Nassau auf den Bahamas, Kuala Lumpur in Malaysia, Samoa, eine Insel irgendwo im weiten Ozean, und schließlich Luxemburg.

Der Mann ist herumgekommen in der Welt. Schließlich hat er außerdem noch jedes der 24 Exekutiv-Komitee-Mitglieder, die am Donnerstag in Zürich über den Austragungsort der WM 2006 befinden werden, persönlich besucht.

Wie oft er dabei um den Erdball gejettet ist, weiß Beckenbauer nicht. Er weiß nur, dass er wohl kaum all die Freiflüge in Anspruch nehmen können wird, für die er Flugmeilen gesammelt hat. So viel Freizeit bleibt ihm nicht.

Beckenbauer hat in den letzten Jahren weltweit neue Freunde gewonnen. Aber das kann der Antrieb ja nicht sein, um all diesen Stress auf sich zu nehmen. Was also dann? Beckenbauer: "Die Chance, als Spieler oder Trainer Weltmeister zu werden, hat man mehrfach im Leben. Die Chance, eine Weltmeisterschaft ausrichten zu dürfen, nur ein Mal. Die WM in Deutschland, das wäre ein Geschenk, das man nicht hoch genug einschätzen kann. Das ist jetzt eine echte Herausforderung für mich, eine größere, als mit dem FC Bayern einen Titel mehr oder weniger zu gewinnen."

Und weil Beckenbauer die Bewerbung nicht nur als Job sieht, sondern sehr persönlich nimmt, haben ihn auch die Äußerungen der Engländer sehr verärgert. Die hatten in Luxemburg offiziell geäußert, die ganze Welt außer Europa unterstütze die englische Bewerbung. Beckenbauer giftig: "Das ist nicht wahr." Weitere Kommentare verkniff sich die deutsche Delegation: "Wir lassen uns auch am Schluss nicht provozieren."

(RPO Archiv)
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