"Kaiser" befürchtet Mauscheleien DFB kann Opfer eines "Kuhhandels" werden

Zürich/Rio de Janeiro (sid). Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) könnte im Kampf um die WM-Gastgeberrolle 2006 Opfer eines "Kuhhandels" werden: Brasilien zog seine WM-Bewerbung offiziell zurück, will aber den großen deutschen Konkurrenten Südafrika unterstützen. Dies kündigte am Montag der brasilianische Verbandspräsident Ricardo Teixeira auf einer Pressekonferenz in Rio de Janeiro an: "Wir werden daran arbeiten, dass die Stimmen an Südafrika gehen, damit sie uns für 2010 unterstützen." Ein solcher Deal - Brasilien will unbedingt 2010 die WM-Ausrichtung übernehmen - deutete sich schon seit längerer Zeit an, nachdem der viermalige Weltmeister Brasilien zuletzt im Kandidatenrennen für 2006 immer mehr an Boden verlor.

Der deutsche WM-Bewerbungs-Chef Franz Beckenbauer hatte schon befürchtet, dass es "zu Mauscheleien kommen kann". Der "Kaiser" im Fachblatt Kicker: "Der Fußball würde auf der Strecke bleiben, wenn es heißt: 'Gibst Du mir die WM 2006, dann gebe ich Dir die WM 2010'." Am kommenden Donnerstag fällt das 24-köpfige Exekutiv-Komitee des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa) in Zürich die Entscheidung.

Im Fifa-Exko befinden sich in Teixeira, Julio H. Grondona (Argentinien) und Dr. Nicolas Leoz (Paraguay) drei Südamerikaner. Es scheint durchaus möglich, dass das Trio geschlossen für Südafrikas Kandidatur stimmt.

Der DFB hatte sich im Schlussspurt des Kandidatenkampfes auf Grund der Beurteilung der Fifa-Inspektoren in die Pole Position vor Südafrika, England, Marokko und Schlusslicht Brasilien geschoben. Siegesgewiss kann die deutsche Abordnung um Beckenbauer allerdings auf Grund des Rückzugs von Brasilien und der neuen Entwicklung nicht sein.

Auf die Frage, wer denn seiner Meinung am Donnerstag den Zuschlag durch das Exekutiv-Komitee erhalten werde, meinte Teixeira: "Südafrika wird gewinnen, möglicherweise schon im ersten Wahlgang." Dafür würde die Kap-Republik 13 der 24 Stimmen benötigen. Die Brasilianer ihrerseits waren so sehr enttäuscht darüber, dass sie die Fifa-Inspektoren auf den letzten Platz der Rangliste gesetzt hatten, dass sie die Beurteilung beim Uefa-Kongress in Luxemburg am vergangenen Wochenende nicht einmal abholten.

Am Donnerstag gegen 14.00 Uhr wird wohl Klarheit über den WM-Gastgeber herrschen, wenn Fifa-Präsident Joseph Blatter in der Zürcher Messe den Ausrichter der übernächsten WM-Endrunde mit den Worten "The Winner is ..." bekannt gibt. Die DFB-Abordnung fährt trotz aller Ränkespiele im Hintergrund mit großem Selbstbewusstsein nach Zürich. Schon vor sieben Jahren waren die ersten Bewerbungsunterlagen in Zürich bei der Fifa eingereicht worden, nun schließt sich der Kreis. Bundesinnenminister Otto Schily gehört am Mittwoch in Zürich der sechsköpfigen DFB-Delegation, die die Bewerbung nochmals dem Exekutivkomitee präsentieren wird. Sogar ein Kommen von Bundeskanzler Gerhard Schröder war im Gespräch.

Brasiliens Fußball-Idol Pele glaubt ebenfalls an die deutsche Bewerbung. "Deutschland hat gute Chancen, die WM zu bekommen. Das Dossier war schon das beste", sagte der dreimalige WM-Champion als Abgesandter von Eurocard/Mastercard am Rande des EM-Finales in Rotterdam dem Sport-Informations-Dienst (sid). Der 59-Jährige hatte seinem Heimatland von Anfang an keine Chance im Rennen um die WM 2006 gegeben.

Am Mittwoch dürfen sich die fünf Kandidaten nochmal jeweils 30 Minuten präsentieren. Zu diesem Zweck ließ der DFB neue Filme drehen, die in Zürich erstmals ausgestrahlt werden. Am Donnerstag erfolgt die Abstimmung des Exekutiv-Komitees. Sollte eine Patt-Situation entstehen, würde die Stimme von Fifa-Präsident Joseph Blatter doppelt zählen. Er gilt allerdings als Befürworter einer WM auf afrikanischem Boden.

Stark gesunken sind derweil die Aktien von England. Fifa-Vizepräsident Jack Warner (Trinidad/Tobago) empfahl dem Fußball-Mutterland einen Rückzug. "England hat keine Chance", sagte der Fifa-"Vize" der englischen Zeitung Sunday Times und kritisierte die Vorwürfe der Briten gegen die Fifa wegen des Berichts der Prüfungskommission: "Das haben wir nicht gerne gehört, und das hat England nicht geholfen."

Englands Ex-Sportminister Tony Banks hatte den Weltverband als Regierungsbeauftragter für die WM-Bewerbung attackiert, nachdem die Prüfungskommission den Standard der Stadien auf der Insel niedriger eingestuft hatte als den in den Arenen der Rivalen Deutschland und Südafrika. Banks warf der Fifa "falsches Spiel" vor: "In der Politik haben mir schon viele übel mitgespielt. Aber nicht auf so gemeine und zugleich durchsichtige Weise. Das macht alles einfach keinen Sinn", schrieb Banks in einem Beitrag für die Tageszeitung The Independent.

(RPO Archiv)
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