Chancen für Südafrika jetzt noch besser Brasilien zieht Kandidatur für Fußball-WM 2006 offiziell zurück

Zürich (dpa). Drei Tage vor der Entscheidung des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA) über die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 zeichnet sich immer mehr eine Allianz zu Gunsten von Südafrika gegen den deutschen Mitfavoriten ab.

Am Montagnachmittag verkündete der brasilianische Verbands- Präsident Ricardo Teixeira in Rio de Janeiro den Kandidaturverzicht seines Landes. Südafrika werde das Stimmenpaket Brasiliens erhalten und dafür die WM-Bewerbung des viermaligen Weltmeisters für 2010 unterstützen. Mit dem brasilianischen Verzicht reduziert sich die Zahl der Bewerber auf vier.

Da England und Marokko nur als Außenseiter gelten und viel dafür spricht, dass bei ihrem Ausscheiden in den ersten beiden Wahlrunden am Donnerstag in Zürich ihre Stimmen eher Südafrika zu Gute kommen werden, kann der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit seinem Chef-Bewerber Franz Beckenbauer nur aus eigener Kraft gewinnen.

„Wir sind vorne dabei, und ich habe ein gutes Gefühl. Ob es aber reicht, weiß ich nicht“, erklärte Beckenbauer. „Ich habe noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir machen das zwar schon seit zwei Jahren, aber noch sind nicht alle überzeugt, dass Deutschland der ideale WM-Standort ist.“ Dabei hofft er in dem zu erwarteten Zweikampf mit Südafrika auf die Hilfe von Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Während die Südafrikaner Nelson Mandela als Zugmaschine mit nach Zürich bringen wollen, kann der DFB bei seiner letzten Präsentation am Mittwoch vielleicht den Kanzler als Überraschungsgast präsentieren. Am Montag hieß es im Kanzleramt, das Kommen des Regierungschefs sei noch offen. So ist Bundesinnenminister Otto Schily bisher einziger Abgesandter der Regierung.

Schröder ließ es sich am Montag nicht nehmen, seine Unterstützung für die deutsche Bewerbung dadurch zu dokumentieren, dass er den ersten Spatenstich für die lange umstrittene Sanierung des Berliner Olympiastadions vornahm. 473 Millionen Mark sind für den Umbau der größten deutschen Arena veranschlagt, in der nach den Plänen des DFB am 9. Juli 2006 das WM-Finale stattfinden soll.

Südafrika habe durch den Rückzug Brasiliens nun den Sieg mit 13 der insgesamt 24 Stimmen des FIFA-Exekutivkomitees sicher, behauptete Teixeira bei einer Pressekonferenz in Rio de Janeiro. England wurde der Bewerbungsverzicht von FIFA-Vizepräsident Jack Warner empfohlen. „England hat keine Chance“, erklärte der Funktionär aus Trinidad/Tobago, Vertreter des nord- und mittelamerikanischen Erdteil-Verbandes (Concacaf). Am Montag mehrten sich in London die Stimmen, die im Sinne eines Fair Play für einen englischen Verzicht zu Gunsten Südafrikas plädierten.

Der DFB betrachtet den sportpolitischen Poker mit Sorgen. FIFA- Präsident Joseph Blatter will das Ergebnis der Abstimmung gegen 14.00 Uhr in der Messe Zürich verkünden. Den Zuschlag erhält, wer in der Abstimmung im FIFA-Haus ab 13.00 Uhr zuerst 13 Stimmen auf sich vereint. Ansonsten scheidet bei jedem Wahlgang der geheimen Abstimmung jeweils das Land mit den wenigsten Stimmen aus.

Ursprüngliche Rechenspiele in der FIFA gingen davon aus, dass der DFB und Südafrika zunächst gleichauf mit jeweils sieben Stimmen in die Wahl gehen. Eine renommierte Zeitung in Kapstadt kam bei der Auswertung aller Vorlieben der FIFA-Entscheidungsträger jedoch auf ein Endresulat von 14:10 für Südafrika gegen den DFB. „Ich muss noch Lobbyismus betreiben“, meinte Beckenbauer: „Aber wenn man alle Spekulationen ernst nehmen würde, wird man wahnsinnig.“

Fedor Radmann, offizieller DFB-WM-Koordinator, bewertet die südafrikanische Siegesgewissheit als Pluspunkt für den DFB: „Sollen sie doch glauben, dass sie es schon geschafft haben. Das ist das Beste, was uns passieren kann.“ Am Mittwoch erhalten alle WM- Kandidaten nochmal 30 Minuten, um sich vor den 24 Wahlmännern inSzene zu setzen. Während der DFB eine teure Materialschlacht wie bei der gescheiterten Berliner Bewerbung für Olympia 2000 vermieden hat, investierten Südafrika und England fast so viel wie Japan und Südkorea für die WM 2002. Zusammen gaben die Konkurrenten mehr als 100 Millionen Mark für die Werbung aus, die englische Kandidatur hat allein mehr als 30 Millionen gekostet.

20 Millionen von acht Sponsoren, aber keine Mark an Steuergeldern steckte der DFB in den Versuch, zum zweiten Mal nach 1974 eine WM nach Deutschland zu holen. Südafrika spielt vor allem die politische Karte. Sam Ramsamy, NOK-Präsident und IOC-Mitglied, nahm das Blatter- Argument auf, dass Afrika noch nie eine WM ausgetragen hat. Der WM- Zuschlag „würde bedeuten, den letzten Nagel im Sarg der Rassendiskriminierung einzuschlagen“. Der DFB kann argumentieren, dass der bisherige Rhythmus, alle acht Jahre eine WM in Europa auszutragen, fortgesetzt werden soll. Nach einem Abenteuer-Turnier in Japan/Südkorea müsse die WM wieder auf sicherem Boden, also im „Fußball-Land Deutschland“, stattfinden.

(RPO Archiv)
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