Analyse Trainerwechsel — die Bundesliga spielt verrückt

Düsseldorf (RP). Computer und High-Tech-Handys und all das moderne Zeug sind für Uli Hoeneß Teufelswerk. Der Präsident des FC Bayern vermutet den Grund für die wirren Wendungen bei den Bundesligisten wohl deshalb in einem düsteren Etwas, das ihm nicht geheuer ist: im Internet. Dort wolle jeder mitreden, klagte Hoeneß. Vereinsvorstände ließen sich anstecken und beteiligten sich an der "verrückten Entwicklung", die jetzt alle paar Tage einen Trainerwechsel bringt.

Bundesliga 10/11: alle Trainerwechsel
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Dass gerade dieses "Mitreden" die Attraktivität der Liga und des Fußballs im Allgemeinen seit Herbergers Zeiten ausmacht und aus dem Fußball ein Milliardengeschäft werden ließ, erwähnt er lieber nicht. Auch die — sicherlich durch die Medien geförderte — Schnelllebigkeit macht den Fußball zu dem alle Bevölkerungsschichten erfassenden Faszinosum. Doch so rasant wie jetzt trieb es die Liga noch nie. Die Klagen über einen Verfall der Sitten darf man ruhig vernachlässigen. Als Hort von Anstand und Ethik hat die Branche nie getaugt.

Die Hektik auf der Zielgeraden dieser Saison wirkt hochansteckend. Schalkes Trennung von Felix Magath und Louis van Gaals Abschied zum Saisonende von Bayern München führen zu Domino-Effekten, die Wolfsburg, Leverkusen und Freiburg erfassen. Jede einzelne Trainerentlassung von Frontzeck/Gladbach bis Skibbe/Frankfurt lässt sich nachvollziehen. Doch die Vielzahl spektakulärer Entscheidungen bringt das Magazin "11 Freunde" dazu, einen "kollektiven LSD-Trip" und einen "ungebremsten psychedelischen Taumel" zu diagnostizieren. Der Trainerwechsel — sei er bei Monatsgehältern bis zu einer halben Million Euro auch noch so kostspielig — gilt den Vorständen als einzige Chance, kurz vor Ultimo noch zu handeln. Neue Spieler können sie nach dem 31. Januar nicht mehr holen.

Möglicherweise gehen nur sechs der 18 Bundesligisten mit dem Trainer in die kommende Saison, mit dem sie in die aktuelle gestartet sind. Denn beim FC St. Pauli steht Holger Stanislawski vor dem Abschied. Nachdem der sich gegen den Hamburger SV entschieden haben soll, bringt ihn der "Kicker" mit Hoffenheim in Verbindung. Und über die Zukunft von Frank Schaefer beim 1. FC Köln gibt es noch keine letzte Gewissheit. Ausgerechnet der Trainer, der laut Quoten der Wettanbieter vor Saisonbeginn als besonders gefährdet galt, sitzt mit am sichersten im Sattel: Hannovers Mirko Slomka.

Es sieht so aus, als wollen die Klubs die fehlende Spannung im Kampf um den Titel durch Personalrochaden kompensieren. Horst Zingraf, der Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer, macht das überraschende Tabellenbild der Liga für die Unruhe mitverantwortlich: "Vereine, die die Plätze von Hannover, Mainz und Freiburg fest eingeplant haben, stehen im Abstiegskampf. Dadurch kommt eine ganz andere Dynamik rein."

Nur Altmeister Hans Meyer beobachtet die Szenerie ganz gelassen: "Sind wir ehrlich: Genügend Menschen sind doch saufroh, dass etwas passiert."

(RP)
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