Gegenpressing Zähneputzen gegen die Krise

Wenn es um den Erfolg geht, entwickeln Trainer seit jeher kreative Ideen. Die neueste Maßnahme probiert man in Wolfsburg aus. Dort will man Punkte schon im Mund gewinnen.

Das ist Martin Schmidt
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Foto: dpa, tfr gfh hpl

Als Klaus Toppmöller noch zu den Großen der deutschen Trainerszene zählte, ließ er zu Mannschaftsbesprechungen einen leibhaftigen Adler in die Kabine schleppen. Heute lebt er als rüstiger Rentner im Eifelstädtchen Rivenich und spielt gern mit seinen vier Enkeln. Aber das ist eine andere Geschichte.

Sein Amtsbruder Christoph Daum, der um ein (Achtung: Witz) Haar (!) mal Bundestrainer geworden wäre, schickte die Spieler von Bayer Leverkusen barfuß über Glasscherben. Es sollte ihnen beweisen, was sie so alles können, wenn sie es nur wollen. Und es hatte deshalb etwas mit Psychologie zu tun - Fußball-Psychologie, die immer ein bisschen nach Volkshochschule klingt.

Jürgen Klinsmann wollte weit höher hinaus. Deshalb dekorierte er den Spielerbereich bei Bayern München mit Buddha-Figuren. Sie waren daher bald den fernöstlichen Weisheiten so nah, dass sie irdischen Aufgaben auf den Rasenfeldern der Welt eher zurückhaltend begegneten. In Barcelona ließen sie sich 2009 im Europacup mit 4:0 von besagtem Feld schießen.

Thomas Tuchel brachte 2015 einen Koffer voller Ernährungspläne mit zu seinem neuen Arbeitgeber Borussia Dortmund. Monatelang wetteiferten Klubangestellte und der Fußballlehrer in der Kunst, täglich weniger Pfunde auf die Waage zu bringen, bis am Ende aus den Pfunden nur noch ein paar Gramm wurden. Das war wahrscheinlich der tiefere Grund für sein Scheitern in Dortmund. Weniger Gewicht konnte ohne (Achtung: schon wieder Witz) schwer(!)wiegende Folgen nicht mehr zugemutet werden.

Die deutsche Nationalmannschaft vertraut seit Jahren einem Honorar-Trainer, der die Spieler in Yoga unterrichtet. Das hat wahrscheinlich noch mit den Nachwirkungen der Klinsmann-Ära in den seligen Zeiten des deutschen Sommermärchens zu tun. Aber es soll, zuverlässigen Quellen zufolge, weitgehend ohne Buddha-Figuren, Räucherstäbchen und die Hitparade der esoterischen Musik auskommen.

Zu den erklärten Gesundheitsaposteln des Fußballs gehört auch Martin Schmidt. Der Trainer des VfL Wolfsburg stammt aus der Schweiz, war schon ein begabter Extrem-Skifahrer und waghalsiger Bergwanderer. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, das ein wenig künstliche Umfeld im VW-Konzern zumindest schwer gesund zu machen. Künftig müssen sich seine Spieler nach Training, Spiel und überhaupt großen Anstrengungen die Zähne putzen - weil Anstrengung zu erhöhter Säureproduktion führt. Es lassen sich herrliche Szenen ausmalen. Während von den gegnerischen Trainerbänken bei Spielunterbrechungen Trinkflaschen aufs Feld fliegen, reichen die Wolfsburger Betreuer Zahnbürsten. Vielleicht sogar elektrische - völlig frei von Abgasen oder Pfusch-Software. Für Pfusch und Abgase sind andere Forschungsabteilungen des Hauses zuständig.

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(pet)
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