Gladbach kurz vor der Rettung Hans Meyer baut an seinem Denkmal

Als sich die Vorentscheidung anbahnte, mochte auch Hans Meyer nicht mehr an sich halten. Unmittelbar nachdem der Brasilianer Dante den Siegtreffer für Borussia Mönchengladbach zum 1:0-Endstand in Cottbus geköpft hatte, ballte der Trainer, dem wohl demnächst ein Denkmal im Borussia-Park gebaut wird, die Faust.

Cottbus - Gladbach: Einzelkritik
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Foto: ddp

Auf weitere Regungen verzichtete Meyer. Aber für den 66 Jahre alten Trainer, der für gewöhnlich an seinem Arbeitsplatz weder lacht noch jubelt und höchstens mit einem undurchschaubaren Zungenspiel auffällt, war das schon eine Menge. Was er gefühlt habe, wollte er später nicht verraten, weil sowas ja jeder mit sich selbst ausmachen müsse. Es dürften aber Gefühle des puren Glücks gewesen sein.

Denn mit dem Glück waren Meyer und seine Borussia in den letzten Wochen vermehrt im Bunde. Dem 1:0-Erfolg gegen Schalke am 31. Spieltag, den Roberto Colautti mit seinem Treffer erst in der 90. Minute sicherstellte, folgte nur drei Tage später der Erfolg in Cottbus. Diesmal sparte sich Dante das entscheidende Tor sogar für die Nachspielzeit auf.

Was Dante über sein spätes Tor sagte, sehen Sie hier in unserem Gladbach-TV!

Dass Gladbach in beiden Partien eher mittelmäßigen Fußball zeigte und wohl auch aufgrund der nervlichen Drucksituation wenig dafür unternahm, tatsächlich die Komplettausbeute von sechs Punkten einzufahren, ist dabei nur sekundär. Retter, wie Hans Meyer wohl einer sein wird, dürfen Glück haben.

Sie sind geradezu dazu genötigt, das zur Verfügung stehende Glück bis zur Neige auszuschöpfen. Sonst wären sie ja keine Retter - und nur mit bloßen Fußball-Sachverstand die Rettung angehen zu wollen, ist ohnehin kein probates Mittel. Von Fußball verstehen die Trainer-Kollegen schließlich auch etwas.

Es wäre natürlich zu einfach, die mögliche Rettung, die bereits mit einem weiteren (Last-Minute-) Erfolg am vorletzten Spieltag gegen Bayer Leverkusen perfekt gemacht werden kann, alleine auf Meyers Glück zu reduzieren. Meyer brachte seine langjährige Trainer-Erfahrung, die er in den zurückliegenden knapp 40 Jahren erworben hat, zielbringend ein. Auch Hertha BSC und den 1. FC Nürnberg rettete er kürzlich vor dem drohenden Abstieg. Der Hans, der kanns - möchte man meinen. Auch wenn ihn die Nürnberger bald schon zum Teufel jagten.

Man darf ihm zugute halten, dass er offenbar die richtigen Worte fand, um sein Team, das nach dem 1:1 gegen Bielefeld am 29. Spieltag in Resignation zu erstarren drohte, wieder aufzubauen. Im Abstiegskampf ist vor allem mentale Stärke gefordert. Diese Qualität hat Meyer und kann sie weitergeben - auch wenn sich vielerorts der Eindruck verfestigt hat, dass er ein selbstverliebter Gesprächspartner ist, der sich um andere Meinungen wenig schert.

Zudem wählte er eine Taktik, die sich gemessen am Resultat im Nachhinein als die richtige erwies. Destruktiv und mit mehr Abwehr- als Offensivspielern ausgestattet ließ Meyer seine Mannschaft zwar in vergangenen Wochen auflaufen, doch gerade wenn es um die Existenz geht, heiligt der Zweck der Mittel. Niemand braucht spektakuären Fußball, wenn eine unheimliche Zweitliga-Zukunft droht.

Meyer schaffte das mit dem ihm zur Verfügung stehenden Personal. Abgesehen von Stalteri, Dante und Bailly stand in Cottbus eine Mannschaft zum Anpfiff auf dem Rasen, mit der auch sein Vorgänger Jos Luhukay bis in den vergangenen Herbst schon gearbeitet hatte. Die insgesamt vier Neuen (Galasek fehlte in Cottbus verletzt), die Meyer im Winter forderte, schlugen ein.

"Ich schick dann mal den Max Eberl auf Einkaufstour", hatte er im Dezember gesagt und seinen Sportdirektor in die Verantwortung genommen. Meyer tut gut daran, sich nicht selbst für die Einkäufe zu feiern. "Es ist das Resultat unserer Scouting-Abteilung", sagte Eberl, der gleichwohl nichts von persönlichen Lobeshymnen wissen will.

Rund fünf Millionen Euro ließ sich Gladbach seine Wintertransfers kosten. Die Konkurrenz aus Bielefeld und Cottbus hatte ein solches Budget nicht zur Verfügung.

Was Dante betrifft, schießt Geld eben doch Tore und Meyer darf sich glücklich schätzen, diesen Mann bekommen zu haben. Der Coach hat den Traditionsverein aus einer schlimmen Lage befreit und auf den Weg Richtung Klassenverbleib gebracht. Vielleicht reichen sogar die aktuell gewonnenen 30 Punkte, um drinzubleiben.

In Gladbach war es Meyer zudem ein Anliegen, sein Image zu bestätigen. Die Borussia führte er 2001 im zweiten Anlauf von der 2. Liga zurück ins Oberhaus und wurde damals bereits zum gefeierten Helden. Doch als er den Klub, den er als Herzensanlegenheit bezeichnet, später verließ, rangierte Gladbach wieder auf einem Abstiegsplatz.

"Unsterblich" machte er sich dadurch nicht - auch wenn auf dem Alten Markt in Gladbachs Stadtzentrum durch die "Deutsche Fußball-Route" ein Schild aufgestellt wurde, auf dem neben Meyers Konterfei über über dessen Aufstiegstriumph erzählt wird.

Sollte er nun die damals verpasste Rettung nachholen, ist vielleicht sogar noch mehr als ein bloßes Schild drin. "Im Fußball baut man Dir schnell ein Denkmal, aber genauso schnell pinkelt man es an", hatte der Fußballlehrer mal gesagt. Wehren würde er sich gegen eine Statue, die ihn mit geballter Faust zeigt und dann im Borussia-Park Platz zu finden sein könnte, aber wohl trotzdem nicht.

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